1859 -
Essen
: Bädeker
- Autor: Haesters, Albert
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Römisch-Katholisch
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Kreuzgestalt auf der Brust, todt da liegen. Der Kaiser und alle
Franken jammerten und beklagten bitterlich den Tod des wackern Hel-
den und aller seiner Mannen.
Das Andenken an Roland lebt noch in mancher andern Sage
fort. Wo der grüne Rhein das Gebirge verläßt, unfern der Stadt
Bonn, dem Siebengebirge gegenüber, liegt Rolandseck. Auf
einem steilen Berge steht da noch ein'alter Fensterbogen, der einst
zu Rolands Burg gehört haben soll, welche auf diesem Felsen stand*).
Aber auch im Sachsenlande ist uns das Andenken Rolands er-
halten. In vielen alten Sachsenstädten findet man gewaltige Stein-
bilder, riesenhafte Männergestalten mit Waffen geschmückt, die
man Rolande nennt. Von allen der berühmteste ist der Roland
von Brecken, der mitten auf dem Markte steht. So hat man das
Andenken dieses Helden bewahrt, dessen wundervolle Thaten in aller
Munde leben und in vielen schönen Gedichten besungen worden sind.
12 Roland der Schildträger.
Der König Karl saß einst zu Tisch
Zu Aachen mit den Fürsten,
Man stellte Wildpret auf und Fisch
Und ließ auch keinen dürsten.
Viel Goldgeschirr von klarem Schein,
Manch rothen, grünen Edelstein
Sah man im Saale leuchten.
Da sprach Herr Karl, der starke Held:
„Was soll der eitle Schimmer?
Das beste Kleinod dieser Welt,
Das fehlet uns noch immer.
Dies Kleinod, hell wie Sonnenschein,
Ein Riese trägt's im Schilde sein,
Tief im Ardennenwalde."
Graf Richard, Erzbischof Turp in,
Herr Heimon, Naims von Baiern,
Milon von Anglant, Graf Gar in,
Die wollten da nicht feiern.
Sie haben Stahlgewand begehrt
Und hießen satteln ihre Pferd',
Zu reiten nach dem Riesen.
Jung Roland, Sohn des Milon,
sprach:
„Lieb Vater: hört, ich bitte!
Vermeint ihr mich zu jung und schwach,
Daß ich mit Riesen stritte,
Doch bin ich nicht zu winzig mehr,
Euch nachzutragen euren Speer
Sammt eurem guten Schilde.
Die sechs Genossen ritten bald
Vereint nach den Ardennen,
Doch als sie kamen in den Wald,
Da thäten sie sich trennen.
Roland ritt hinterm Vater her; /
Aste wohl ihm war, des Helden Speer
Des Helden Schild zu tragen!
Bei Sonnenschrin und Mondenlicht
Streiften die kühnen Degen;
Doch fanden sie den Riesen nicht
In Felsen und Gehegen.
Zur Mittagsstund' am vierten Tag
Der Herzog Milon schlafen lag
In einer Eiche Schatten.
Roland sah in der Ferne bald
Mn Blitzen und ein Leuchten,
Davon die Strahlen in dem Wald
Die Hirsch' und Reh' aufscheuchten;
Er sah, es kam von einem Schild,
Den trug ein Riese, groß und wild,
Vom Berge niederstetgend.
Roland gedacht' im Herzen sein:
„Was ist das- für ein Schrecken!
Soll ich den lieben Vater mein
Im besten Schlaf erwecken?
Es wachet ja sein gutes Pferd,
Es wacht sein Speer, sein Schild und
Schwert,
Es wacht Roland der Junge."
Roland das Schwert zur Sette band,
Herrn Milons starke Waffen,
Die Lanze nahm er in die Hand
Und that den Schild aufraffen.
Herrn Milons Roß bestieg er dann
Und ritt ganz sachte durch den Tann,
Den Vater nicht zu wecken.
*) Vergl. S. 12: Rheinthals Ritterburgen.