1859 -
Essen
: Bädeker
- Autor: Haesters, Albert
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Römisch-Katholisch
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Winter ist weniger kalt als auf dem benachbarten Festlande, der
Sommer dagegen auch weniger warm. In Schottland ist ein
Unterschied zu machen zwischen dem nördlichen und südlichen Theile
oder zwischen den Hochlanden und den sogenannten Niederlanden: in
jenen ist die Luft rein und sehr gesund, in diesen meistens feucht.
Das Klima Irlands ist feucht und weder so warm, noch so kalt,
wie in England. Eis und anhaltender Schnee sind seltene Erschei-
nungen. Der Boden ist im Durchschnitte ftuchtbar, und zwar giebt
es Gegenden von der höchsten Fruchtbarkeit in England und Irland,
freilich auch große Heidestrecken in jenem, und viele Moore in diesem
Lande. In Schottland ist beinahe im ganzen nördlichen Theile der
Boden unergiebig; die schottischen Niederlande sind dagegen meistens
fruchtbar. Mit Ausnahme von Holz und Wein besitzt das britische
Reich an europäischen Naturprodukten so viel, daß es nöthigenfalls
der Zufuhren vom europäischen Festlande entbehren kann.
Die Engländer sind germanischen Ursprungs und haben im
Charakter, in Fleiß und Ausdauer viel mit den Deutschen gemein —
sie übertreffen uns aber in Kunstfleiß und Betriebsamkeit, in Handel
und Gewerbe. Der Handel der Engländer ist der ausgedehnteste auf
der ganzen Erde. Alle Meere des Erdkreises werden von englischen
Handels- oder Kauffartheischiffen durchsegelt. Und was das Fabrik-
wesen anlangt, so giebt es beinahe keinen Zweig desselben, der in
England, wie auch in Schottland, nicht auf eine sehr hohe Stufe der
Vollkommenheit gebracht worden wäre. Die Hauptgegenstände der
britischen Fabrikation sind indeß Baumwollenwaaren, Tuche,
Eisen- und Stahlwaaren, Glas, Porzellan, Steingut,
Leinwand, Leder- und Seidenwaaren. Die vorzüglichsten und
wichtigsten Baumwollfabriken sind in Manchester und Glasgow, die
berühmtesten Tuchfabriken in Leeds und Hudderssield und die
berühmtesten Eisen- und Stahlsabriken in Birmingham und Shef-
field. Die englischen und schottischen Baumwollfabriken beschäftigen
11/2 Million Menschen. In Eisen- und Stahlwaaren wurden zu
Zeiten schon in einem einzigen Jahre für 40 bis 45 Millionen Thaler
geliefert. In Lederwaaren werden jährlich auch ungeheure Geschäfte
gemacht, und in der Stadt Worcester allein fertigen gegen 10,000
Menschen Tag aus, Tag ein — lederne Handschuhe! Das engländi-
sche Steingut ist ebenfalls hochberühmt." In der Grafschaft Stafford
allein sind ungefähr 40,000 Menschen mit der Verfertigung von Stein-
gutwaaren beschäftigt. Die Zahl aller britischen Handelsschiffe, welche
die englischen Fabrikate bis in die fernsten Länder tragen, belief sich
schon vor 20 Jahren auf 25 Tausend, die mit 166,583 Seeleuten
bemannt waren.
Allein ungeachtet der so hoch stehenden Industrie, des so weit
ausgebreiteten Handels, sind dennoch in England der Armen unglaub-
lich viele, und man hat berechnet, daß der 7te bis 8te Mensch mei-
stens bloß vom Almosen lebt. Dagegen ist aber auch wieder der