1859 -
Essen
: Bädeker
- Autor: Haesters, Albert
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Römisch-Katholisch
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gebahnt auch die Wege, wie empfindlich Hitze und Kälte sein mochten, er
setzte seine Reise nach entfernten Orten, wozu er jährlich drei Monate be-
stimmte, nicht ans. Er bestieg mit seinem Stabe und einem Bündel auf dem
Rücken Gebirge, auf welchem kein Lastthier sicher einherschreiten konnte,
und stiess -zuweilen auf Stellen, wo er kriechen oder des Steigeisens sich be-
dienen musste. Wohlgemuth ass er dann mit den dürftigen Bergbewohnern
Kastanien und Milch und überliess bessere Speisen seinen Gefährten. An
seine Schritte war der Segen des Herrn gebunden. Durch Herzlichkeit ge-
wann er die Herzen; der Macht seiner Liebe vermochten selbst die Härte-
sten und Verstocktesten nicht zu widerstehen, und so hat er Unzählige in die
Arme des Glaubens und der Tugend zurückgeführt.
Auch in seinem häuslichen Leben ging er Allen mit dem rühmlichsten
Beispiele voran, und sein ganzes Haus musste in seine Fussstapfen treten.
Nur bewährte Diener, welche Fleiss mit Frömmigkeit vereinten, nahm er in
seine Wohnung. Wer sich nicht erprobte, wurde entlassen. Der Tag ward
mit dem Morgengebete und Absingen von Psalmen begonnen, woran der Erz-
bischof sich betheiligte. Er nahm mehre Jahre lang an der Tafel seiner Hausge-
nossen Platz und zog sichmur zurück, um eine strengere Lebensartzu wählen. Spä-
ter fastete er jeden Tag bei Wasser und Brod und machte nur an Sonn- und Fest-
tagen eine Ausnahme, an welchen er Gemüse oder Früchte genoss. Nie fand man
den Erzbischof miissig. Alle seine Zeit war ernsten Geschäften gewidmet, und
sogar auf seinen Reisen betete oder studirte er. Jeden Morgen, vor Darbrin-
gung des heiligsten Opfers, beichtete er, und täglich, selbst wenn er krank
war, betete er kniend und mit entblösstem Haupte seine Tageszeiten. Die
Einkünfte seines Bisthums vertheilte er gewissenhaft- einen Theil an Arme,
den zweiten zur Unterhaltung der Kirchen und den dritten zu eigenen nö-
thigen Ausgaben. Sein sonstiges Vermögen verwandte er entweder zu from-
men Stiftungen, besonders zur Gründung von Seminarien, deren er fünf in
seinem Erzbisthume errichtete, oder er linderte mit demselben die Noth der
leidenden Menschheit. Die schönsten Triumphe feierte seine Liebe, als im
Jahre 1576 eine wüthende Pest zu Mailand ausbrach. Jetzt war seinem
himmlischen Sinne der schönste Wirkungskreis geöffnet; da zeigte er, was die
durch Glauben entflammte christliche Liebe, und nur sie, vermag.
„Nie verlass’ ich meine Herdei
Ihr hallt weiter keine Pflicht;
Eilt und rettet euer Leben;
Ich verlasse Mailand nicht!“
Muthig sprach es Borromäus,
Erzbischof und Cardinal,
Als die Pest zusammenraffte
Opfer ohne Zahl und Wahl.
Wie ein offnes Grab voll Schrecken,
Still und leer und angstumspannt
Lag die Stadt, wer fliehen konnte,
Floh wie aus des Todes Hand.
Thüren, Fenster sind verschlossen,
Mütter grau’n vor ihrem Kind;
Rasselnd eilen Leichenwagen,
Bis sie voller Todten sind.
Dann ist wieder alles stille,
Nur durchseufzt vom Sterbeton;
Wer gesund noch war am Morgen,
Ist am Abend Leiche schon.
Aber ohne Furcht des Todes,
Unermüdlich, stets gefasst,
Eilet durch die öden Strassen
Borromäus ohne Rast.
Geht vom Morgen bis zum Abend,
Ganze Nächte wandert er,
Geht von Haus zu Haus und tröstet,
Hilft und stärkt durch That und Lehr'.
In der Armuth dumpfen Hütten,
Zwischen Sterbenden er weilt,
Denen er die Sacramcnte,
Auch die beste Pfleg’ ertheilt
Alles hat er hingegeben,
Zum Spitale ward sein Haus,
Froh entzieht er sich die Speisen,
Theilet sie den Armen aus.
Müde kommt an einer Hütte
Einst vorbei er, Abends spät.
Hört ein Klagen, blickt durch'« Fenster,
Sieht den Kranken ohne Bott, —
Eilt nach Hause, will nicht ruhen,
Nimmt das seine, trägt es fort
Selber auf den müden Schultern
In der Armuth Jammerort, —
Legt den Kranken tröstend nieder,
Fachet seinen Glauben an,
Spendet ihm die Sacra mente,
Wartet seiner liebreich dann.
Das ist eine Hirtentreue,
Die der Himmel nicht verglast,
Die für alle auf der Erde
Ewig ein Exempel istl
Obschon nun der Erzbischof, wie es scheinen möchte, den'hfthhsten Gfwnstltut
der uns Menschen unter dem göttlichen Beistände möglichen Vollkommen-
hoit erreicht batte, so war er doch selbst ganz anderer Meiikw«, hielt §ich
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