1853 -
Hildesheim
: Gerstenberg
- Autor: Seffer, J. H. Ch.
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 7
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Regionen (OPAC): Hannover
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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schmollen, als seine Unfreundlichkeit gedauert hätte. Als
dies einigemal geschehen war, lernte er die Häßlichkeit
seines Fehlers einsehen, und besserte sich.
16. Das Ackerwerk Gottes. (11.)
Otto, ein Landwirth, sprach eines Tages zu seinem
Nachbar Gotthold: Ich habe seit vielen Jahren deinen
Wandel und dein Wesen beobachtet, aber eins dünkt mir
vor allen köstlich und zugleich befremdend. Obwohl deine
Schicksale oft wunderbarlich wechselten und viel und man-
cherlei Leid und Trübsal dich und dein Haus betroffen
haben; so bleibst du dennoch gleich heiter und still in
deinem Angesicht und Wesen, an dem bösen wie am gu-
ten Tage. Lehre mich, wie du solches vermögest.
Da lächelte Gotthold, und sprach zu Otto: das läßt
sich mit wenigen Worten sagen. Mich lehrt es mein ei-
gener Beruf und die tägliche Arbeit. Siehe, ich betrachte
mich selbst und mein Leben als ein Ackerwerk.
Als bei diesen Worten Otto ihn ansah, als ob er
Gotthold nicht verstände, fuhr dieser fort: Siehe, mein
Brnder, wenn eine Trübsal kommt, so denke ich an den
Pflug und die Egge, die den Erdboden aufreißen, damit
das Unkraut ersterbe und das Saamenkorn Wurzel fassen
möge. So forsche ich nach dem wüsten Fleck in meinem
Innern, und nach dem Unkraut, das in mir wohnen
möge. Dieses muß vertilgt, aber jener bearbeitet werden,
wenn die Frucht wachsen und gedeihen soll. Zuweilen
sehe ich auch auf meine Trübsal wie auf ein Gewitter,
welches schwarz und drohend herauf ziehet, hernach aber
Regen bringt und die Lust abkühlt, und denke dabei: wenn
es vorüber ist, wird die Sonne wieder scheinen. Siehe,
so betrachte ich mich selbst und mein Leben als ein Acker-
werk. Darf auch der Acker zu dem Pflüger sagen: Was
magst du?
Und wer ist deines Ackers Herr und Pfleger ? fragte Otto.
Wer anders, antwortete Gotthold, als Er, der Reif
und Schnee und Thau und Regen und Sonnenschein auf
unsere Acker sendet. Wen er züchtiget, den hat er lieb.