1853 -
Hildesheim
: Gerstenberg
- Autor: Seffer, J. H. Ch.
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 7
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Regionen (OPAC): Hannover
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Schutz gesucht hatte; entseelt fand er ihn auf dem Boden
liegen; alle seine Bemühungen, ihn in's Leben zurückzu-
rufen, waren vergebens. Eine fürchterliche Angst er-
griff ihn, nur mit Mühe erhielt er sich aufrecht.
' In diesem Augenblick vernahm er eine rufende Stim-
me. Er hörte deutlich die Worte: Conrad! Wilhelm!
und erkannte daran sogleich die Stimme seines Vaters,
der, um seine Kinder besorgt, nicht unterlassen konnte,
ihnen entgegen zu gehen.
Nach einigen Augenblicken war der rufende Vater
nicht mehr weit von der Eiche. Wilhelm erblickte ihn,
raffte sich auf, und lief ihm weinend entgegen. Gott!
so sind ich euch noch am Leben! rief der Vater ihm ent-
gegen. Ich habe die schrecklichste Angst um euch ausge-
standen. Aber du weinst ja, Wilhelm! Was ist dir be-
gegnet? Wo ist Conrad?
Wilhelm stürzte dem Vater an's Herz, jammerte laut:
O mein Bruder! mein Bruder! und mußte mehrmals
um die Ursache seines Weinens gefragt werden, bis er
zitternd die Worte stammelte: Er ist todt! — der Blitz —
hat ihn getroffen! Bei diesen Worten erbebte das Herz
des Vaters. Erschrocken wankte er mit dem Sohne an
die Eiche, erharrt sah er auf die Leiche des getödteten
Sohnes. Mein Sohn! rief er aus, und Thränen
stürzten aus seinen Augen. Der Schmerz, den er über
Eonrad's Verlust empfand, war unbeschreiblich. — Der
unglückliche Knabe wäre nicht vom Blitz erschlagen, hätte
er den Rath seines Bruders befolgt.
Bald war es in der ganzen Stadt, in welcher der
Vater wohnte, bekannt, daß Eonrad vom Blitze getödtet
worden sei. Alles strömte herbei, um ihn zu sehen. Alles
weinte um ihn, denn man hatte ihn wegen seiner Artig-
keit im ganzen Orte lieb gehabt.
Der todte Körper wurde nach der Stadt gebracht, und
zwei Tage darauf feierlich begraben.
Mehrere hundert Menschen folgten dem Sarge, der
mit Blumenkränzen ganz umhangen war. Traurig ging
die ganze Schuljugend voran; zwei Freunde Eonrad's
gingen dicht am Sarge. Sie trugen einen Korb mit