1839 -
Reutlingen
: Fischer
- Autor: Gebauer, Christian August
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
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vorangegangen, und von seinen Jugendgenossen fehlten
ihm alle Nachrichten. So stand er eigentlich ohne alle
Verbindung mit seiner Heimath; aber er gedachte ihrer
oft, und erzählte sehr gern von den dort verlebten Jahren.
Die Kinder, die dem Gespräch aufmerksam zugehört
hatten, fragten jetzt, ob er nicht auch etwas, das sie
ganz besonders angehe, ans Sachsen zu erzählen habe.
„Allerdings!" erwiederte der Greis, „und cs paßt
ganz in die Zeit, in welcher wir eben leben. Die Kinder
haben dort ein eigenes Fest, wonach sie das ganze Jahr
messen, was ihnen fast noch mehr Freude gewährt, als
das heilige Christfest, das in eine rauhe, winterliche Zeit
fällt. Man nennt cs das Gregoriusfcst. In alten
Zeiten wurde cs am 12. März, als dem Gregoriustag,
dem Papst Gregorius dem Ersten zu Ehren, der durch
Einrichtung von Singchörcn viel zur Verbesserung der
Schulen beigetragen hat, als Schulfest begangen. In
meiner Knabenzeit aber feierte man cs alljährlich in der
Osterwoche. Bei schönem Wetter versammeln sich Mor-
gens gegen 8 Uhr die Kinder, alle im Sonntagsputz, mit
Blumensträußen, Federn und dergleichen bunt ausge-
schmückt, im Schulhaus, und nun zieht der Schulmeister
mit ihnen aus durch alle zum Kirchspiel gehörige» Ort-
schaften. Vor jedem Hause wird ein schönes Lied, deren
man wohl zwölf und noch mehr nach und nach recht tüch-
tig eingeübt hat, gesungen; dann bekommt der Schul-
meister ein Geschenk, wird wohl auch von dem Einen
oder Andern gastlich bewirthet; die Kinder aber erhalten
hin und wieder gemalte Ostereier, Hvnigbrot und man-
cherlei Zuckergebäck, damit ihre Kehle hell bleibt und der
Gesang sich recht lieblich ausnimmt. Dieser Umzug dau-
ert, wenn mehrere Ortschaften zur Kirche gehören, zwei
lind noch mehr Tage. Ist er endlich beschlossen, so wird