1839 -
Reutlingen
: Fischer
- Autor: Gebauer, Christian August
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
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Blumenkränze. Wenn man hinein kam, meinte man in
den Tempel des Frühlings zu treten. Vvllkräftig rausch-
ten die Töne der Orgel daher, und der Gesang der Ge-
meinde stieg freudig auf zu Dem, der den Geist des Le-
bens über die Natur und über die Menschenherzen aus-
gicßt. Zu dem Allen paßte die Predigt, die der würdige
Gvtthold hielt, auf das Veste. Er sprach von dem
Geiste des Lebens, der von Gott ausgeht und Alles
durchdringt; sein Wehen, sagte er, vernehme ein Jeder,
der darauf achte. Er verkündige sich in der Natur und
in dem Herzen des Menschen, bald leiser, bald stärker.
Wer ihm oft lausche, der werde dem Himmel näher ge-
bracht, dem heilige sich die Erde. Dann flchete er auf
seine geliebte Gemeinde den Geist Gottes mit Inbrunst
herab, daß er sie leite zur Wahrheit, alle Irrthümer
verscheuchend, daß er sie dem, von welchem er ausgeht,
mit jedem Tage näher führe, sie mit ihm immer inniger
verbinde, bis daß sie zuletzt ganz eins mit ihm würde.
Jedermann verließ das Haus des Herrn erbaut und
erhoben. Sv auch unsere Familie. Sie begrüßte ihren
Freund und seine Gattin, um Beide mit hinauf in's Forst-
haus zu nehmen.
Unterwegs erzählte Herr Gvtthold, wie er heute mit
der Morgenröthe aufgestanden sey, und an dem Flusse
hinab einen Gang nach dem Nachtigallwäldchen gemacht
habe. „So alt der Mensch auch wird," sagte er, „für
so Vieles er Sinn und Lust verlieren mag: so wird das
Herz doch immer gleich innig von der Religion und von
der Natur bewegt. Auch als Greis entzückt mich ein
schöner Frühlingsmvrgcn, der Gesang der Nachtigall,
der Dust der Role noch eben so sehr, als in meinen
Jugendtagen, ja vielleicht noch mehr, weil sich mit dem