1839 -
Reutlingen
: Fischer
- Autor: Gebauer, Christian August
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
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Namens ein anderer, und bis auf diese Stunde weiß
nvch Niemand, wie der wahre Vetter eigentlich heißt,
ob und wo in Petersburg er wohnt. Also fuhr der arme
Mann in großer Verlegenheit zwei Tage lang in der
Stadt herum, und hatte Franzoslein feil. Aber Nie-
mand wollte ihn fragen: „Wie theuer das Par lein ?«
und der Herr Charles begehrte sie nicht einmal geschenkt,
und war »och nicht Willens, eines zu behalten. Als
aber ein Wort das andere gab, und ihm der Pole schlicht
und menschlich ihr Schicksal und seine Noth erzählte,
„eins," dachte er, „will ich ihm abnehmen," und es
füllte sich immer wärmer in seinem Busen: „ich will ihm
zwei abnehmen," dachte er, und als sich endlich die
Kinder um ihn anschmiegten, meinend, er sey der Herr
Vetter, und anfiengen, auf französisch zu weinen, denn
der geneigte Leser wird auch schon bemerkt haben, daß
die französischen Kinder anders weinen, und als der
Herr Charles die Landesart erkannte, da rührte Gott
sein Herz, an , daß ihm ward wie einem Vater, wenn-
er die eigenen Kinder weinen und klagen sicht, und „in
Gottes Namen," sagte er, „wenn's so ist, so will ich
mich nicht entziehen," und nahm die Kinder an. „Setzt
euch ein wenig nieder," sagte er zu dem Polen, „ich
will euch ein Süpplein kochen lassen."
Der Pole, mit gutem Appetit und leichtem Her-
zen, aß die Suppe, und legte den Löffel weg, und blieb
sitzen — er stund auf und blieb stehen. „Seyd so gut,"
sagte er endlich, „und fertigt mich jetzt ab, der Weg
nach Wilna ist weit. Ans fünfhundert Rubel hat die
Frau mit mir akkvrdirt." Da fuhr es doch dem milden-
Menschen, dem Herrn Charles, über das Gesicht, wie
der Schatten einer fliegenden Frühlingswvlke über die
sonnenrciche Flur. „Guter Freund!" sagte er, „ihr kom-