1839 -
Reutlingen
: Fischer
- Autor: Gebauer, Christian August
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
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heiserer Schrei der beklommenen Brust ein wenig Lust.
Meiriechen und Heinrich waren zuerst bei dem lieben
Manne. Cr lag da, lang ausgestreckt, die Augen und
der Mund waren geschlossen, die Hände noch vor der
Brust gefalteu, und sein Odem gieng langsam und stark,
wie bei einem gesunden Menschen, der ordentlich schläft;
auch bemerkte man nirgend, daß er blutrünstig war.
Mariechen weinte häufige Thränen auf sein Angesicht
und jammerte beständig: „Ach, mein Vater! mein
Vater!" Heinrich saß zu seinen Fußen, schluchzte
und weinte. Indessen kam Margarethe auch hinzu; sie
fiel neben ihm nieder auf die Knie, faßte ihren Mann
um den Hals, rief ihm mit ihrer gewohnten Stimme
ins Ohr, aber er gab kein Zeichen von sich. Die hel-
denmüthige Frau stund auf, faßte Muth; auch war kei-
ne Thräne aus ihren Augen gekommen. Einige Nach-
barn waren indessen hinzugekommen, vergvßen Alle Thrä-
nen, denn er war allgemein geliebt gewesen. Marga-
rethe machte geschwind in der Stube ein niedriges Bette
zurecht; sie hatte ihre besten Betttücher, die sie vor
etlich und vierzig Jahren als Braut gebraucht hatte,
übergespreitet. Nun kam sie ganz gelassen heraus, und
rief: „Bringt nur meinen Eberhard herein auf's Bett!"
Die Männer faßten ihn an, Mariechen trug am Kops
und Heinrich hatte beide Füße in seinen Armen; sie
legten ihn auf's Bett und Margarethe zog ihn aus, und
deckte ihn zu. Er lag da, ordentlich wie ein gesunder
Mensch, der schläft. Nun wurde Heinrich beordert, nach
Flvrcnburg zu laufen, um einen Wundarzt zu holen.
Der kam auch denselben Abend, untersuchte ihn, ließ ihm
zur Ader, und erklärte sich, daß zwar nichts zerbrochen
sey, aber doch sein Tod binnen dreien Tagen gewiß seyn
würde, indem sein Gehirn ganz zerrüttet wäre.