1839 -
Reutlingen
: Fischer
- Autor: Gebauer, Christian August
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
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dem großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm in die Hände,
und gewann dessen Beifall. Wer mag der Mann seyn,
fragte er, der das schöne Lied gemacht hat? Es ist der
Gerhardt, antwortete man ihm, den Cw. Durchlaucht
haben Landes verweisen lassen. Jetzt bereuete der Kur-
fürst sein ehemaliges hartes Urtheil, wiewohl zu spät:
denn Gerhardt hatte wieder ein Amt. Er war von
dem Herzoge Christian, als damaligem Besitzer der Nie-
derlausi'tz, bereits im Jahre 4669 als Oberprcdiger
nach Lübben berufen worden, wo er am 7ten Juni 1676
sanft zum himmlischen Erwachen entschlief.
Der Ueuj a h rs in o rg en.
Adelbert, ein Greis an Jahren, inwendig aber
noch frisch und lebenskräftig, gieng, wie cs von Jugend
auf seine Gewohnheit gewesen, am Neujahrsmorgen hin-
aus in Gottes immerdar schone, das Menschenherz stets
zu Dank und Andacht weckende Natur. Der Wind wc-
hete scharf, denn Berg und Thal waren in Schnee ge-
hüllt. Am Himmel erloschen die Sterne allmählig; nur
der Morgenstern leuchtete noch in vollem Glanze. End-
lich gieng auch er unter. Der Wind regte sich stärker,
und schüttelte den Schnee voir den Bäumen. Ans Städ-
ten und Dörfern tönte das Mvrgengcläut. Der Strom,
vom Eise beengt, rauschte gewaltig, als wolle er die drü-
ckenden Fesseln von sich werfen, um den ersten Morgen
des Jahres frei begrüßen zu können. Da brach die Mor-
genröthe der neuen Zeit auf, und beschenkte den Himmel
reich mit Rosen, und begränzte die Berge damit und die
Menschen, die ihrer Ankunft harreten. Adelbert hatte
eben eine Anhöhe erreicht. Hier blieb er stehen. Die