1854 -
Stuttgart
: Hallberger
- Autor: ,
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Evangelische Volksschule
- Regionen (OPAC): Württemberg
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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Er sah freilich seine gefährliche Lage wohl ein und war auch innerlich be-
unruhigt; aber als ein frommer Mann betete er zu Gott um seinen Schutz, und
als ein verständiger Mann machte er sich aufs Schlimmste gefaßt. Bekannt mit der
Lebensart des Thieres, in dessen Höhle er gefallen war, zweifelte er keinen Augen-
blick daran, daß die Tigerin ganz in der Nähe sein müsse, und daß ihre Wuth ihn
nicht entrinnen lassen werde. Was konnte er nun machen? Er halte keine Flinte,
kein Schwert, nicht einmal einen Stock; seine Hand warsein einziges Vertheidigungs-
mittel. Aber was konnte er ohne Waffen ansaugen? O, die Hand"ist ein wun-
derbares Werkzeug, wenn sie mit Verstand gebraucht wird, lind so zeigte sichs
auch bei Herrn B.
Er nahm schnell aus seinem Hut und seiner Rocktasche zwei oder drei seidene
Taschentücher und band sie fest um seinen rechten Arm bis zum Ellenbogen hinauf.
Kaum war er damit fertig, so erblickte er schon die Tigerin, die über Gesträuch und
Schilf des Dickichts setzte und auf ihn losstürzte mit feuersprühenden Augen, den
großen Rachen weit geöffnet, thu zu packen und zu zerreißen. Er stellte nun seine
Füße fest auf den Boden, gerüstet zu tödtlichem Kampf mit dem furchtbaren Feind,
und stand dann ruhig erwartend da. In kürzerer Zeit, als ihr dieses lesen könnet,
war die Tigerin ganz nahe herbeigekommen, und nun duckte sie sich mit dem Bauch
aus den Boden, und rutschte langsam näher, wie ihr etwa bei einer Katze gesehen
habt, wenn .sie einen Vogel fangen und sich ihre Beute sichern will. Schrecklicher
Anblick für Herrn B.i Aber er hatte keine Zeit, lange darüber nachzudenken, denn
im nächsten Augenblick sprang sie mit einem Satz und lautem Gebrüll gerade auf
ihn los.
Wie er erwartet hatte, war ihr großer Nachen weit geöffnet, und so schnell wie
ein Gedanke, sein Ziel fest im Auge, stieß ihr der muthige Mann seinen Arm ins
Maul hinein, packte ihre Zunge mit der Hand und fing an, mit aller Macht sie von
einer Seite zur andern zu drehen. Dies hinderte die Tigerin, den Rachen zu
schließen; dagegen aber machte sie einen furchtbaren Gebrauch von ihren Klauen, die
ihm die Kleider vom Leib und das Fleisch von den Knochen rissen. Allein obgleich
verwundet und blutend, hielt er doch fest und peinigte die Tigerin so durch das
Umdrehen ihrer Zunge, daß sie in Schrecken gcrieth, mit einem plötzlichen Ruck
ihm die Zunge aus der Hand riß und zu seiner großen Freude ins Dickicht hinein-
sprang. Herr B. wußte in dem ersten Augenblick nichts Nöthigeres zu thun, als
dem Gott zu danken, der ihn so aus dem Nachen des Tigers errettet hatte, wie er
einst den Hirtenknaben David von dem Löwen und Bären errettete. Dann machte
er sich, ermattet von Schmerz und Blutverlust, eilig auf den Rückweg zu seinen
Gefährten, ehe das wilde Thier sich von seinem Schrecken erholen, oder in die Höhle
zurückkehren werde.
44. Fo'wengligd.
Zamba, ein ehemaliger Negerkönig am Kongofluß in Afrika,
der von einem nordamerikanischen Sklavenhändler mit List aus seiner
Herrschaft gelockt und als Sklave verkauft, eben dadurch aber unter
Gottes Fügung zu christlicher Erkenntniß und Bildung gelangt war,
erzählt aus seinen Jugenderinneruugen unter anderem Folgendes: