1854 -
Stuttgart
: Hallberger
- Autor: ,
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Evangelische Volksschule
- Regionen (OPAC): Württemberg
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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Etwas höher findet man Wälder, noch höher treffliche Matten, auf
denen das Vieh im Sommer eine herrliche Weide findet. Noch etwas
weiter hinauf fangen die Felsen an, die aber noch mit Gesträuchen
und Bäumen bewachsen sind. Gemsen und Steinböcke irren auf ihnen
umher und setzen manchen Jäger, der ihnen nachklettert, in große
Angst, wie er den Rückzug finden will. Noch weiter hinauf werden
die Berge kahl und öde, und die Gipfel derselben bedeckt ein immer-
währender Schnee, den auch die Glut des heißesten Sommers nicht
ganz schmelzt.
Von dem Weg auf den St. Bernhard kann man jetzt von Mar-
tinach an der Rhone aus eine ziemliche Strecke im Wagen zurück-
legen; die letztere höhere Strecke können nur Fußgänger und Lastthiere
begehen. Früher waren keine Fahrwege möglich, sondern man fand
nur Fußsteige, die oft sehr schmal waren und so dicht an den Felsen
hingingen, daß man sie nicht ohne Schwindel und ohne die größte
Gefahr, in unabsehbare Abgründe zu stürzen, passiren konnte. Doch
noch jetzt ist die Reise in der Schneegegend gefährlich. Die Kälte
ist erstaunlich streng, und bei unfreundlicher Witterung sieht man den
Weg nicht und ist in Gefahr, in tiefen Schnee zu versinken oder in
mehr als hundert Ellen tiefe Felsenriffe zu stürzen. Waaren und Ge-
räthschaften werden großentheils durch Maulesel über den Berg ge-
tragen, die dazu abgerichtet sind und sicher gehen. Da indessen jähr-
lich gegen 20,000 Menschen hier die Alpen überschreiten, so geht
wohl kaum ein Jahr vorüber, in dem nicht Menschen verunglücken.
Dies bewog in der Vorzeit einen menschenfreundlichen Edelmann und
Geistlichen, Namens Bernhard von Menthon, auf der Höhe dieses
Bergübergangs in einem engen Hochthal zwischen hohen Felsen, am
Ufer eines kleinen Sees, ein Kloster anzulegen und die Mönche zu
verpflichten, die Reisenden aufzunehmen und zu bedienen, ja sogar aus-
zugehen, um die Verirrten oder Verunglückten aufzusuchen und leben-
dig oder todt in das Kloster zu bringen. Für einen Vorsteher (Prior)
und für zwölf bis fünfzehn Mönche ist dieses Kloster eingerichtet, und
so lange es steht, hat es nicht an Männern gefehlt, die ihr Leben
diesem beschwerlichen Dienst aufzuopfern bereit waren. Man denke,
was für ein Leben sie dabei wohl führen müssen. Einen großen Theil
ihrer Lebenszeit bringen sie auf dem hohen Berge zu, wo sie feine
Pflanze, kein Kraut, sondern nur Himmel und Schnee um und neben
sich sehen. Uns dünkt ein Winter von acht Wochen lang, und diese *
Menschen leben in einem beinahe ewigen Winter, wo sie keine Sonne