1854 -
Stuttgart
: Hallberger
- Autor: ,
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Evangelische Volksschule
- Regionen (OPAC): Württemberg
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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Zur Hebung des Verkehrs gedachte Karl die Donau und den
Main durch einen Kanal zu verbinden, was aber erst in unsern Tagen
gelungen ist.
Es ist sehr anziehend, einen großen Mann auch in seinen ge-
ringen Beschäftigungen zu betrachten, und zu sehen, wie es das nem-
liche Licht ist, das ein kleines Zimmer und draußen ganze Länder
erleuchtet. Es war dieselbe Thätigkeit, mit welcher Karl Heere an-
führte und Schulprüfungen anhörte, Gesetze für große Völker ersann
und griechische Wörter lernte. Für Alles schien er geboren. Wenn
er auf seine Höfe kam, ließ er sich die Rechnungen vorlegen, wo
Alles bis auf die Anzahl der Eier eingetragen sein mußte, überzählte
Einnahme und Ausgabe, rechnete seinen Verwaltern nach und machte
Bauanschläge, als wäre er nichts als ein Landmann.
Den Gipfel menschlicher Größe erstieg Karl im drei und dreißig-
sten Jahr seiner Regierung durch seine Krönung zum römischen Kaiser.
Der Pabst in Rom, Leo Hl, hatte ihn zum Schutzherrn angenom-
men. Im Jahr 800 war Karl in Rom, wo er die gestörte Ordnung
wieder hergestellt und den Pabst in seiner Würde befestigt hatte. Am
Weihnachtsfeste dieses Jahrs, als in der Peterskirche auch Karl dem
Hochaltar betend gegenüber knieete, ging plötzlich Leo, wie von gött-
licher Eingebung getrieben, auf ihn zu, setzte ihm eine Krone auf das
Haupt, und die Kirche wiederhallte von dem freudigen Zuruf des
Volks: „Leben und Sieg sei dem von Gott gekrönten, frommen,
großen, sriedebringenden Kaiser von Rom!"
So lebte der abendländisch-römische Kaisertitel, der seit dem letz-
ten römischen Kaiser Romulus Augustulus im Jahr 476 erloschen
war, wieder auf, und ist derselbe bis zur Auflösung des deutschen
Reichs im Jahr 1806, also über ein Jahrtausend, den deutschen
Kaisern, wenn sie sich in Rom krönen ließen, verblieben.
Karls Ruhm war schon bei seinen Lebzeiten nicht bloß durch
ganz Europa, sondern auch in die andern damals bekannten Welt-
theile gedrungen. Von allen Seiten erhielt er Zeichen der Achtung.
Nur ein Gewaltiger achtete ihn, den allenthalben geehrten Kaiser,
nicht — der Tod.
Im Januar des Jahrs 814 wurde Karl von einem heftigen
Fieber ergriffen. Seiner Gewohnheit nach wollte er sich durch Fasten
helfen; aber es war umsonst. Am 28. Januar des genannten Jahrs
befahl er den rastlosen Geist in Gottes Hände, und schloß als ein
zwei und siebzigjähriger Greis die Angen, deren Winken beinahe ein