1854 -
Stuttgart
: Hallberger
- Autor: ,
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Evangelische Volksschule
- Regionen (OPAC): Württemberg
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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versammelten sich int Mai 1189 die Pilger aus allen Theilen Deutschlands, an
20,000 Ritter und gegen 100,000 kriegsfähige Männer. Nach unsäglichen Müh-
seligkeiten kamen sie endlich zur Stadt Jconium in Kleinasien (Apostelgesch. 14, 1.).
Von allen Seiten drangen hier die Türken auf das deutsche Heer ein, und die
Größe der Gefahr erpreßte selbst dem standhaften Kaiser den Wunsch: er wolle
gerne jede andere Noth ertragen, wenn nur das Heer ungefährdet in Aiüiochieu
wäre. Als aber die Seinen wirklich anfingen zu weichen, rief der Greis mit
lauter Stimme und durch seinen Heldeumuth wunderbar verjüngt: „Warum zögert
ihr? weßhalb seid ihr niedergeschlagen? Gottlob,, daß die Feinde endlich eine
Schlacht wagen! Um dm Himmel mit eurem Blut zu gewinnen, verließet ihr
euer Vaterland; jetzt ist die rechte Zeit. Folgt mir, Christus herrscht, Christus
siegt!" Mit diesen Worten sprengte er in die Feinde, ermuthigt folgten ihm die
Seinen, drangen unwiderstehlich ans die Türken ein und schlugen sie gänzlich in die
Flucht. In demselben Augenblick gewahrte mau die christlichen Fahnen auf den
Thürmen von Jconium. Herzog Friedrich, des Kaisers Sohn, hatte gleichfalls
die Türken geschlagen uitd die Stadt erobert. Mit großer Freude empfing der
siegende Kaiser seinen siegenden Sohn, und die große Beute an Lebensmitteln und
Geld verwandelte den bisherigen Mangel in Neichthum. Die Türken baten um
Frieden und störten mm das Heer nicht weiter, das zwar nicht ohne Anstrengung
und Verlust, aber ohne Aufenthalt über die hohen Gebirge in das befreundete,
unter christlicher Herrschaft stehende Cilicieu hinabzog, und glücklich Seleucia am
Fluß Calycaduns oder Seleph, nicht weit vom Meer, erreichte.
Das ersehnte Ziel war nun nahe. Saladiit machte auf die Nachricht von des
Kaisers Anzug sehr höfliche Anerbietungen. Von Tag zu Tag wuchs Friedrichs
Ruhm, und alle seine früheren Thaten wurden durch diesen großen Zug überstrahlt
und verklärt.
Am 10. Juni 1190 brach das Heer von Seleucia auf. Herzog Friedrich
führte den Vortrab über dcit Fluß, während der Kaiser sich beim Hintertreffen
befand. Weil die Brücke nur schmal war, so ging der Zug sehr langsam vor-
wärts; der Kaiser aber wollte schnell zu seinem Sohn kommen und beschloß deßhalb,
den Fluß zu durchschwimmen. Furchtlos, wie immer, sprengte er mit dem Pferd in
den Strom; aber der Greis hatte nicht mehr so viel jugendliche Kraft, als jugend-
lichen Muth; die Wellen ergriffen ihn gewaltig und rissen ihn fort, und als man
endlich zu Hülfe kam und ihn cuñ Land brachte, war er bereits entseelt.
So starb der große Kaiser Friedrich I. Mit ihm war die Seele des Ganzen
dahin. Unbeschreiblich war die Bestürzung, der Jammer, die Verzweiflung seines
Heeres; nach Friedrich wandten sich alle Gemüther, wie die Pflanzen nach der
Sonne; sie klagten um ihn wie um einen Vater, mit dem alle Hoffnungen zu Grab
gehen.
Zwar führte Herzog Friedrich das Heer ohne Unfall nach Antiochien; aber
Krankheiten rieben den schönsten Theil desselben auf, die strenge Ordnung wich.
Viele kehrten zu Schiff in die Heimat zurück, oder zerstreuten sich nach allen Rich-
tungen, und nur eine kleine Schaar folgte dem Herzog nach Tyrns, wo man in feier-
licher Trauer Kaiser Friedrichs Gebeine begrub.
In dem alten Kirchlein des Dorfs Hohenstaufen steht über einem Bild Kaiser
Friedrichs folgende Inschrift: Ute transibat Cæsar (d. h. hier ging der Kaiser
hindurch).
Lesebuch. 21