1854 -
Stuttgart
: Hallberger
- Autor: ,
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Evangelische Volksschule
- Regionen (OPAC): Württemberg
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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Vor allem fehlte es dem Lande am Frieden. Oesters waren
längere Streitigkeiten und Kriege um die deutsche Kaiserkrone, und
auch die kleineren Herren, die Fürsten, Grafen und Edelleute lagen
fast immer entweder mit einander selbst, oder mit den Reichsstädten
in Streit und Fehde. Als im Jahr 1389 viele schwäbische Städte
sich endlich mit dem Grafen Eberhard dem Greiner nach jahrelangen
blutigen Händeln in einen Vergleich einließen, da war das platte
Land in Schwaben unbeschreiblich verödet; viele Dörfer lagen in
Asche. Häuser und Güter waren geplündert, geraubt und verbrannt,
Weinberge ausgereutet, Kornfelder umgeackert und mit Senfkörnern
ausgesäet worden, um sie auf lange Zeit unbrauchbar zu machen.
Städte und Edelleute waren tief verschuldet, und zwar meistens an
die Juden, bei denen zehn Prozent ein sehr billiger Zins war, die
aber zugleich als so rechtlos betrachtet wurden, daß der Kaiser den
Edelleuten die Erlaubniß geben konnte, ihre Schulden an die Inden
nicht zu bezahlen. — Hiezu kamen noch Landplagen, im Jahr
1327 eine Theurung, da man um einen Scheffel Dinkel ein Jauchert
Acker kaufen konnte, im Jahr 1337 zahllose Henschreckenschwärme, die
alles Grüne verzehrten. Ans sie folgten mehrere Ueberschwemmungen
und Erdbeben, von denen eines im Jahr '1348 in Süddeutschland
vierzig Tage lang währte, viele Häuser und Burgen (Löwenstein,
Wildenstein, Gutenberg u. s. w.) zerstörte und einer Menge Menschen
das Leben kostete. Aber dies war nur der Vorbote von einer noch
größeren Plage, die im folgenden Jahr über unser Vaterland herein-
brach. Es war der sogenannte schwarze Tod, eine pestartige
Krankheit, die von China herüber kam und in einer Zeit von fünf
Jahren alle damals bekannten Länder durchzog und Millionen Men-
schen wegraffte. Die Krankheit begann mit heftigem Fieber und
Kopfschmerzen und ging in Zersetzung des Bluts und in allgemeinen
Brand über. Gewöhnlich starben die Kranken am dritten Tage, Leute
von kräftiger Leibesbeschaffenheit fielen oft plötzlich todt um. Kein
Alter, Geschlecht und Stand wurde verschont, ganze Familien starben
aus, ganze Dörfer wurden verödet. Aber statt sich unter dieses Straf-
gericht Gottes zu demüthigen, machten es die Menschen wie Offenb.
Joh. 16, 11. geschrieben steht: „Sie thaten nicht Buße für ihre
Werke." Jeder dachte nur an sich; Verwandtschaft und Freundschaft,
Ordnung und Sittlichkeit wurde nicht mehr geachtet, alles Mitleiden
war abgestumpft. Da Keiner seines Lebens auch nur auf acht Tage
sicher war, so sprachen die Thoren: Lasset uns essen und trinken,
Lesebuch. 22