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1. Lesebuch für die evangelischen Volksschulen Württembergs - S. 338

1854 - Stuttgart : Hallberger
338 denn morgen sind wir todt (1 Kor. 15, 32.). So betäubten sie sich gegen alle ernsten Betrachtungen, und man hörte mitten unter dem gellenden Angstgeschrei der Sterbenden die wilden Töne zügelloser Lust. Auch die Geistlichen, die ohnehin an dieser tiefen Versunkenheit des Volkes große Schuld hatten und freilich fast ebenso unwissend waren, machten es nicht besser, und in den Klöstern hörte alle Zucht und Ordnung auf. Anstatt die Sündenschuld bei sich selbst aufzu- suchen, warf man sie auf die Juden, die wegen ihres Reichthums ver- haßt waren und auf denen schon längst der Fluch haftete, daß sie von jedem Unglücksbecher die Hefe austrinken mußten. Man warf ihnen vor, sie hätten die Brunnen und Quellen vergiftet, und fiel mit unmenschlicher Wuth über sie her. In Augsburg, Ulm, Konstanz, schwäbisch Hall u. a. O. wurden Tausende von Inden lebendig ver- brannt, und ihre Häuser und Begräbnißplätze verwüstet. In Basel wurden alle Juden in ein eigen dazu erbautes, hölzernes Behält- niß gesperrt und mit diesem lebendig verbrannt. So ging es mit 2000 Juden in Straßburg. In Mainz kamen 12,000 um. In Eßlingen verschlossen sich sämtliche Juden in die Synagoge und zün- deten sie selber an. In andern Städten wurden sie wenigstens nackt und bloß von Haus und Hof vertrieben. Der Kaiser mußte endlich die strengsten Befehle erlassen, um dieser Wuth zu steuern, und mehrere Fürsten, worunter auch die Grasen von Württemberg, er- griffen gemeinschaftliche Maßregeln, um der Verfolgung ein Ende zu machen. Aber auch diejenigen, welche das Strafgericht Gottes zu tiefe- rem Ernst und zur Erkenntniß ihrer Sündhaftigkeit und Verschuldung führte, wußten den rechten Weg nicht zu finden, um von Schuld und Strafe los zu werden, weil es eben damals allenthalben an der evangelischen Einsicht in das Geheimniß der freien Gnade Gottes in Christo mangelte, und die trostreiche Lehre von der Versöhnung der Menschen durch Christum mit einer Menge thörichter Menschensatzun- gen zugedeckt war. Die armen Leute glaubten den Zorn Gottes durch selbst ersonnene Büßungen versöhnen zu müssen. Schon hundert Jahre vorher, als eine Reihe unfruchtbarer Jahrgänge große Theu- rung und Roth über die Völker brachte, waren in Italien die Ge- sellschaften der Geißelbrüder entstanden, die sich dann schnell über Deutschland bis nach Polen und England verbreiteten. Diese Geiß- ler erhoben sich nun in Folge der furchtbaren Pest aufs neue, und ihre Zahl nahm bald erstaunlich zu. Sie zogen paarweise in schwär-
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