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1. Lesebuch für die evangelischen Volksschulen Württembergs - S. 453

1854 - Stuttgart : Hallberger
453 206. Pie Jahre 1816 und 1817. Der Frühling des Jahrs 1816 kündigte sich mit heftigen Regen- güssen an, welche mit schauerlichen Gewittern und Hagel, bei em- pfindlicher Kälte, den ganzen Sommer hindurch fortdauerten. Hatte diese ungünstige Witterung zur Folge, daß fast kein Gewächs der Erde zu seiner völligen Reife gelangte, so konnten noch dazu viele Früchte wegen des frühe fallenden Schnees nicht einmal eingeheimst werden. Auf der Alb vermoderten zwei Drittheile der Haberernte unter Eis und Schnee. Das Getreide war kern - und mehlarm und hatte keine nährende Kraft; die Kartoffeln, die Hauptnahrung der ärmeren Leute, schlugen auf nie erhörte Weise fehl; die Trauben kamen nicht zur Zeitigung; die Futterkräuter, von der Nässe ver- dorben, gaben auch dem Vieh schlechte und sogar schädliche Nahrung. Das Vieh wurde deßwegeu mager und häufig krank, und bald hatte man auch fein gutes Fleisch mehr. So stieg in kurzer Zeit das Elend zu einer furchtbaren Höhe; eine unerhörte Theurung aller Lebensmittel trat ein. Völlig unge- nießbarer Wein kostete siebzig bis achtzig Gulden der Eimer, ein mittlerer hundert und fünfzig und ein guter zweihundert und fünfzig Gulden. Der Scheffel Dinkel wurde zu Tübingen für vierzig Gulden, die Gerste zu sechs und sechzig Gulden, der Scheffel Kernen zu 'Ried- lingen für vier und achtzig, zu Göppingen für ein und neunzig, zu Metzingen für sechs und neunzig Gulden verkauft. Der achtpfüudige Laib Brod kostete zu Tübingen zwei Gulden und sechzehn Kreuzer, das Pfund Butter galt dreißig bis vierzig Kreuzer, ein junges Huhn acht und vierzig Kreuzer, ein Pfund Rindfleisch siebzehn Kreuzer, ein Ei zwei bis dritthalb Kreuzer, das Simri Kartoffeln vier Gulden, das Pfund Mehl kostete mehr als ein Pfund Zucker. An Brod von Kleie und Mehlftaub, oft sogar mit gemahlenem Stroh und Sägspänen vermischt, waren die Armen noch froh; sie nahmen ihre Zuflucht zu Gras, Klee, Wurzeln und Heu; auch Pferdefleisch wurde gegessen; bei Rottweil sollen die Pferde auf Angern wieder ausgegraben und verzehrt worden sein. Die Menschen wandelten wie Leichen umher; Hausen von Kin- dern schrieen nach Brod. Viele raffte der langsame Hungertod hin- weg. Die Verzweiflung trieb manchen ehrlichen Hausvater zum Dieb- stahl. Die Regierung that, was sie konnte, um dem Jammer zu steuern. Eine strenge Sperre verhinderte jede Ausfuhr von Lebens-
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