1860 -
Stuttgart
: Hallberger
- Autor: ,
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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Daraus und aus mehreren sicheren Anzeigen erkennen die Gelehrten Folgendes:
die Erde ist nicht bloß eine ausgebreitete, rund abgeschnittene Fläche, nein, sie ist eine
ungeheure Kugel. Weiters: sie hängt und schwebt frei ohne Unterstützung, wie die
Sonne und der Mond, in dem unermeßlichen Raum des Weltalls unten und oben
zwischen lauter himmlischen Sternen. Weiters: sie ist rings um und um, wo sie
Land hat und wo die Hitze oder der bittere Frost es erlaubt, mit Pflanzen ohne
Zahl besetzt und von Thieren und vernünftigen Menschen belebt. Man muß nicht
glauben, daß auf diese Art ein Theil der Geschöpfe mit dem Kopf abwärts hänge
und in Gefahr stehe, von der Erde weg in die Luft herabzufallen. Dies ist lacker-
lich. Ueberall werden die Körper durch ihre Schwere an die Erde angezogen und
können ihr nicht entlaufen. Ueberall nennt man unten, was man unter den Füßen
hat, und oben, was über dem Haupt hinaus ist. Niemand merkt oder kaun sagen,
daß er unten sei. Alle sind oben, so lange sie die Erde unter den Füßen und den
Himmel voll Licht oder Sterne über dem Haupt haben.
Aber der geneigte Leser wird nicht wenig erstaunen, wenn ers zum erstenmal
hören sollte, wie groß diese Kugel sei; denn der Durchmesser der Erde beträgt in
gerader Linie von einem Punkt der Oberfläcbe durch den Mittelpunkt hindurch zum
andern Punkt eintausend siebenhundert und zwanzig deutsche Meilen. Der Umkreis
der Kugel aber beträgt fünftausend vierhundert deutsche Meilen, und eine Meile hat
zwei Stunden. Ihre Oberfläche aber beträgt über neun Millionen Meilen ins Ge-
vierte , und davon sind fast drei Viertel Wasser und ein Viertel Land. Ihre ganze
Masse aber beträgt mehr als zweitausend fünfhundert Millionen Meilen im Klafter-
maß. Das haben die Gelehrten mit großer Genauigkeit ausgemessen und ausge-
rechnet, und sprechen davon wie von einer gemeinen Sache. Aber Niemand kann die
göttliche Allmacht begreifen, die diese ungeheuer große Kugel schwebend in der un-
sichtbaren Hand trägt, und jedem Pflänzlein darauf seinen Thau und sein Gedeihen
gibt, und dem Kiudlein, das geboren wird, einen lebendigen Odem in die Nase.
Man rechnet, daß tausend Millionen Menschen zu gleicher Zeit auf der Erde leben
und bei dem lieben Gott in die Kost gehen, ohne das Gethier. Aber es kommt
noch besser.
. Denn zweitens: die Sonne, so nahe sie zu sein scheint, wenn sie früh hinter
den Bergen in die frische Morgenluft hinauf schaut, so ist sie doch über zwanzig Mil-
lionen Meilen weit von der Erde entfernt. Weil aber eine solche Zahl sich ge-
schwinder aussprechen, als erwägen und ausdenken läßt, fo merke: wenn auf der
Sonne eine scharf geladene Kanone stünde, und der Kanonier, der hinten steht und
sie richtet, zielte auf keinen andern Menschen, als auf dich, so dürftest du deßwegen
in dem nemlichen Augenblick, als sie abgebrannt wird, noch herzhaft anfangen, ein
neues Haus zu bauen, und könntest darin essen und trinken und schlafen; könntest
heiraten und vielleicht noch Kinder erleben. Denn wenn auch die Kugel in schnur-
gerader Richtung und immer in gleicher Geschwindigkeit immer fort und fort flöge,
so könnte sie doch erst nach Verfluß von ungefähr fünfundzwanzig Jahren von der
Sonne hinweg auf der Erde anlangen, so doch eine Kanonenkugel einen scharfen
Flug hat und zu einer Weite von sechshundert Fuß nicht mehr als den sechzigste»
Theil einer Minute bedarf, ncmlich eine Sekunde.
Daß nun weiters die Sonne auch nicht bloß eine glänzende Fensterscheibe des
Himmels, sondern, wie unser Erdkörper, eine schwebende Kugel sei, begreift man schon
leichter. Aber wer vermag mit seinen Gedanken ihre Größe zu umfassen, nachdem
Lesebuch. jg