1860 -
Stuttgart
: Hallberger
- Autor: ,
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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fuhr er fort, «es ist Zeit, dass wir gehen, ich, um zu sterben, ihr, um wei-
ter zu leben. Wer aber von uns beiden zum Besseren hingehe, das ist
Allen verborgen, ausser dem Gott.»
Nach diesen Worten ward er in den Kerker geführt und gefesselt. Seine
Freunde waren darüber trostlos. Einer rief verzweifelnd aus: «Nein, so un-
schuldig sterben zu müssen!» Da entgegnete Sokrates lächelnd: «Möchtest
du etwa lieber, dass ich schuldig wäre?» Den Tag vor seinem Tode ent-
deckte ihm Kriton, einer seiner Freunde, er habe eine Summe Geldes zusam-
mengebracht, die Wächter zu bestechen, dass sie die nächste Nacht die Thüre
offen liessen. «0 Kriton», antwortete ihm Sokrates, «in welches Land konnte
ich wohl dem Tode entrinnen?» — Ruhig und fest setzte er den Becher mit
Schierlingssaft (denn damit pflegte man damals in Athen Verbrecher hinzu-
richten) an den Mund und war bald darauf eine Leiche. Es geschah dieses
gerade 400 Jahre vor der Geburt dessen, der am Kreuze sein Leben gelassen
hat für das Leben der Welt. — Wenn Sokrates dem Herrn Jesus persönlich
unter die Augen hätte treten können, er hätte vielleicht auch aus dem Munde
der wesentlichen Wahrheit das Wort vernommen, das jener Schriftgelehrte
(Marc. 12, 34.) vernommen hat: «Du bist nicht ferne vom Reich Gottes!»
121. Die Spiele -er Griechen.
Wenn in Jerusalem die Israeliten von allen Seiten an ihren
großen Festen zusammen trafen (5 Mose 16, 16.), Gott gemeinsam
dienten und von ihm hörten, so lernten sie sich dabei als Brüder
kennen und lieben, und freuten sich um so mehr, Gottes Volk zu
sein. Auch die alten Griechen hatten solche Feste, bei denen die
Männer aus allen Theilen des Landes zusammen kamen. Da hörten
alle Streitigkeiten auf, da fühlten sie sich immer wieder als ein zu-
sammengehöriges Volk, wie sehr sie auch sonst unter einander zerstreut
und zersplittert sein mochten. Weil sie aber Heiden waren und den
lebendigen, heiligen Gott nicht kannten, so hatten darum diese griechi-
schen Volksfeste ein ganz anderes Ansehen, als jene Feste des zu
Jerusalem feiernden Israel. Die Hauptsache war ihnen dabei Spiele
zu spielen und die Kraft, die Gewandtheit, die Schnelligkeit ihrer
Leiber zu zeigen) daneben wurden wohl auch die Erzeugnisse ihres
Geistes in Gedichten, Kunstwerken u. dergl. zur Schau gestellt. Unter
diesen griechischen Volksfesten waren die sogenannten olympischen
Spiele, welche alle vier Jahre wiederkehrten, die berühmtesten.
Der Schauplatz dieser Spiele lag in der wohlhabendsten und bestbe-
bauten Gegend Griechenlands, im Westen der südlichen Halbinsel, die
jetzt Morea heißt. Da .lag Olympia in einem stillen, bewaldeten
Thale. Olvmpia war nicht eine Stadt, sondern ein ummauerter
heiliger Raum. Innerhalb desselben sah man Tempel aus Marmor,