1860 -
Stuttgart
: Hallberger
- Autor: ,
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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mit ihm im Fasten und ermahnt ihn mit Reden, bis er ihn der
Kirche wiederschenken kann als ein Beispiel wahrhafter Sinnes-
änderung und echter Wiedergeburt.
132. Maria und Martha.
Menge sie nicht, trenne sie nicht. Maria sitzt und ist stille,
Martha geht und ist geschäftig; Maria ohne Sorgen, läßt sich speisen
und ihr dienen; Maria nimmt, Martha gibt; Maria ist eine Hörerin,
Martha eine Thäterin.- Den Glauben mein ich, und die Liebe.
Schwestern sind sie, darum trenne sie nicht; doch haben sie nicht'
einerlei Sinn und nicht einerlei Werke, drum menge sie nicht. Der
Glaube ist die Maria, die erhöhete in der Betrachtung und im
Gebet, die bittere im Selbst-, Welt- und Sündenhaß, auch in der
Buße; er sitzt in stiller Ruh und Andacht zu Jesu Füßen, in tiefster
Demuth, und höret seiner Rede zu, nimmt das Wort an und be-
wahrts in einem feinen, guten Herzen. Die Liebe ist die Martha,
die Hauswirthin, die Jesum mit seinen Jüngern aufnimmt und
beherberget. Diese macht sich viel zu schaffen, Jesu zu dienen, ihm in
seinen Dienern mit allerlei Noth- und Ehrendiensten an die Hand
zu gehen, oft ist sie so geschäftig, daß sie dem Glauben, bei Jesu Lust
und Ruhe zu suchen, kein Stündlein gönnt. Herr, spricht sie, fragst
du nicht darnach, daß mich meine Schwester läßt alleine dienen?
Sage ihr doch, daß sie es auch angreife. Jesus ist der Schiedsmann,
^,und setzt sie also von einander, daß er sie weder menget noch trennet,
.sondern spricht: Martha, Martha, du hast viel Sorge und Mühe:
eins aber ist noth, Maria hat das gute Theil erwählet, das soll
nicht von ihr genommen werden. Beides muß ja bleiben, Glaube
und Liebe. Maria muß sich von Jesu speisen lassen; Martha muß
ihn wieder speisen; Maria nehmen, Martha geben; Maria hören,
Martha thun; aber Maria muß den Vorzug haben. Erstlich muß
das Herz mit der Liebe Jesu durchgossen sein, darnach gibt man dem
Nächsten zu empfinden, was man empfunden hat. Jesus hat uns
gespeiset, getränket, gekleidet an unserer Seele; wir speisen, tränken
und kleiden ihn wiederum in seinen hungrigen, durstigen, nackten
Gliedern. Jesus ist der Magnet, der Maria an sich zeucht mit seinen
holdseligen Lippen; Martha ist der Magnet, der Jesum an sich
zeucht mit liebreicher Hand und Herzen. Mit einem Wort: kein
wahrer Glaube kann ohne gute Werke sein, wie kein lebendiger Leib