1860 -
Stuttgart
: Hallberger
- Autor: ,
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
288
ist, ohne mit den Lehrern zu reden, oder ihnen Fragen vorzulegen ; andere
hören nicht ein einziges Wort, sondern stehen in einejn Winkel der Kirche
und plaudern mit einander.» — Da kam die Verfolgung im Jahr 250 plötzlich
wie ein Wetter über sie und schreckte sie aus ihrer Sicherheit auf. Decius
wollte das Christenthum völlig ausrotten. Durch \einen kaiserlichen Befehl
wurden die Christen im ganzen Reich aufgefordert, an einem bestimmten Tag
vor der Ortsobrigkeit zu erscheinen und den Götzen zu opfern. Nicht wenige,
besonders Reiche und Vornehme, gehorchten. Andere ergriffen die Flucht und
wurden dann ihres Vermögens beraubt. Bei denen, welche geblieben waren,
wandte man alle möglichen Mittel an, um sie zum Abfall zu bringen. Durch
Kerker und Bande, Schläge und Steinigung, Feuer und Schwert, Hunger und
Durst und unzählige andere Martern wollte man sie zwingen, ihren Glauben
zu verleugnen. Einige liessen sich auch sogleich dazu bewegen, andere
hielten sich anfangs standhaft und fielen dann ab, manche aber überwanden
Qual und Tod um desswillen, der sie geliebt hatte bis in den Tod. «Der
Herr wollte sein Volk prüfen», schreibt der Bischof von Karthago, Cyprianus,
der nachmals selbst als Märtyrer starb. «Weil ein langer Friede die uns
von Gott befohlene Zucht verdorben hatte, so hat die Züchtigung unsern
Glauben wieder geweckt, der beinahe eingeschlafen war.» Dioskorus, ein
Knabe von noch nicht ganz fünfzehn Jahren, wurde auch vor den Richtei
geführt. Dieser wollte ihn erst durch Schmeicheleien und dann durch Martern
dem Heiland untreu machen; aber es gelang ihm nicht. Dieser Knabe be-
kannte Jesum so offen und freudig, dass der Richter sich darüber verwun-
derte und ihn, weil er noch so jung war, losliess.
Die letzte und furchtbarste Verfolgung der Christen begann unter dem
römischen Kaiser Diocletian und dauerte acht Jahre. Alle christlichen Kirchen
sollten zerstört, alle Handschriften der Bibel ausgeliefert und verbrannt wer-
den; die Bürger, welche Christen geworden, sollten ihre Rechte und Würden
verlieren, und die christlichen Sklaven niemals freigelassen werden, wenn sie
das Christenthum nicht abschwüren. Sie wurden an ihren Leibern verstüm-
melt, haufenweise verbrannt, ersäuft und sonst aufs grausamste hingerichtet.
Aber die Glaubensfreudigkeit der meisten Christen war unter diesen Verfol-
gungen so gross, dass sie Gut und Blut g¥rn dahin gaben. — Ein Knabe,
Hilarian aus Numidien in Afrika, war mit andern Christen gefangen genom-
men worden. Der heidnische Richter meinte, ihn durch Drohungen leicht in
Schrecken setzen zu können; aber der Knabe sprach: «Thut, was ihr wollt,
ich bin ein Christ!»
Jede dieser Christenverfolgungen diente zur inneren Läuterung und Stär-
kung der Christen, ja selbst äusserlich zur Vermehrung ihrer Zahl, denn
das Blut der Märtyrer war der Same der Kirche.
Bald nach der Verfolgung unter Diocletian kam es nach Gottes wunder-
barer Fügung dahin, dass ein römischer Kaiser die Christen nicht nur
schützte, sondern dem Christenthum selbst auf alle Weise förderlich war,
ja sich am Ende seines Lebens selbst auf den Namen Jesu Christi taufen
liess. Es war dies Constantia, mit dem Beinamen der Grosse. Sein Name
ist noch in dem Namen von Constantinopel, d. i. Constantinsstadt, ei-
halten.
mm