1860 -
Stuttgart
: Hallberger
- Autor: ,
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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darunter: „Was thust du für mich?" — Nach einiger Zeit fiel dies
der Wirthin auf, die davon so erschüttert wurde, daß sie in Thränen
ausbrach. Sie rief ihren Mann, und er ward auch sehr ergriffen.
Beide sanken auf ihre Kniee. Nach einer Weile erst konnten sie aus-
rufen: „Gott segne den, der uns dies zum Heile schrieb. Was wir
nie gethan haben, wollen wir nun thun!" Und nun gaben sie sich
knieend die Hände darauf, daß sie von nun an dem Herrn in rechter
Treue nachfolgen wollten. Ihr Hauswesen und Leben wurde von
nun an ein ganz anderes, und an der gesegneten Stelle knieten sie
täglich nieder.
Nach etlichen Jahren reiste der Graf wieder durch jene Gegend,
und richtete es ein, daß er vor demselben Hause abstieg. Gegen sein
Erwarten ward er schon durchs Fenster erkannt, und Mann und Frau
eilten ihm entgegen, bewillkommten ihn mit Thränen des Dankes,
nannten ihn Freund, Wohlthäter und Bruder. Als er sich dagegen
unwissend äußerte, führten sie ihn wie im Triumph ins Zimmer vor
das Crucifix mit der durch einen Glasrahmen wohlerhaltenen Schrift,
und ohne weiter ein Wort zu sagen, knieten sie im Augenblick rechts
und links neben ihn hin und dankten dem Heiland so herzlich für
ihre Seelenrettung, daß, als beide geendigt hatten, auch der Graf,
der gleich anfangs mit auf seine Kniee gesunken war, von Herzen
betete und der ewigen Liebe für diese Gnadenerfahrung dankte.
185. Die württembergische Tabea.
(t 1730.)
In der Apostelgeschichte (9, 36 ff.) wird von einer Jüngerin Jesu,
.'Namens Tabea, erzählt: sie war „voll guter Werke und Almosen, die sie
that". Württemberg hat auch seine Tabea; so hat man nemlich, mit
geringer Versetzung der Buchstaben in ihrem Vornamen, die durch ihre
ungeheuchelte und ausgezeichnete Frömmigkeit bekannte Be ata Sturm in
Stuttgart genannt, derer: Leben Konrad Rieger beschrieben hat.
Ihr Vater war ein angesehener Beamter zu Stuttgart, im Wort und
in den Wegen Gottes wohl erfahren. Ihre Eltern ermahnten sie nicht gar
viel mit Worten, aber deren Wandel war eine beständige Ermahnung; wie
denn auch bei Erziehung der Kinder^ mehr auf Erempel als viele Worte und
Vorstellungen zu halten ist.
Obgleich sie als Kind eine Zeit lang ganz blind war und immer blöde
Augen behielt, las sie doch die heilige Schrift etliche dreißig Mal durch und
hörte das Wort fieißig. So kam sie mehr und mehr zu einem tief gegrün-
deten evangelischen Glauben, dessen Gesundheit und Kraft sich in allerlei
Werken der Liebe kund gab.