1860 -
Stuttgart
: Hallberger
- Autor: ,
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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englischen Feldherrn Wellington, waren die ersten auf dem Kampf-
plätze. Mit einem Heer von 140,000 Mann rückte Napoleon in
Belgien ein. Am 16. Juni 1815 griff er bei Ligny Blücher an;
auf beiden Seiten standen je 80,000 Mann; nach tapferer Gegen-
wehr mußten sich die Preußen zurückziehen. 12,000 Mann waren
gefallen. Unsere Soldaten (so erzählt ein wohlunterrichteter Preuße)
hatten mit einer Tapferkeit gekämpft, die nichts zu wünschen übrig
ließ; und sie blieben in guter Fassung, weil ein jeder das völlige
Vertrauen auf Gott und seine eigenen Kräfte behalten hatte. An
diesem Tag bestand der Feldmarschall Blücher große Gefahren. Ein
von ihm selbst geleiteter Reiterangriff mißlang. Während die feind-
liche Reiterei ihn kräftig verfolgte, durchbohrte eine Kugel das Pferd
des Feldmarschalls. Das Thier wurde gar nicht in seinem Laufe
aufgehalten, sondern raunte mit verdoppelter Wuth, bis es todt
niederstürzte. Der Feldmarschall, den dieser gewaltige Sturz be-
täubte, blieb unter dem Pferd liegen. Die feindlichen Kürassiere
drangen vor, indem sie ihren Vortheil verfolgten; unsere Reiter wa-
ren bereits am Marschall vorbeigeritten; ein einziger Adjutant, Graf
von Nostitz, war bei ihm geblieben und war eben abgestiegen, ent-
schlossen, das Loos des Feldmarschalls zu theilen. Die Gefahr war
groß; aber der im Himmel wohnt, wachte über uns. Die Feinde
ritten bei Fortsetzung ihres Angriffs schnell am Feldmarschall vorüber,
ohne ihn wahrzunehmen; und als den Augenblick darauf ein zweiter
Angriff unserer Reiterei sie wieder zurückwarf, zogen sie mit dem
nemlichen Ungestüm vorbei und bemerkten ihn ebenso wenig wie das
erste Mal.
Jetzt zog man nicht ohne Mühe den Feldmarschall unter dem
Pferde hervor, und er bestieg sogleich ein Dragonerpferd.
Den 17. Juni Abends zog sich das preußische Heer in der Um-
gegend von Wavre zusammen. Napoleon aber lenkte seine Bewe-
gung gegen Lord Wellington auf der großen Straße, die von Char-
leroi nach Brüssel führt.
Hier wollte Wellington das Heer Napoleons zur Schlacht er-
warten, im Fall Blücher versprechen könnte, mit zwei preußischen
Heertheilen zur Unterstützung einzutreffen. Blücher antwortete: nicht
mit zweien Heertheilen nur, sondern mit seinem ganzen Heer werde
er am 18. über St. Lambert heranrücken, um an diesem Tag den
Angriff Napoleons mitzubestehen, oder denselben am folgenden Tag
mit Wellington vereint selbst anzugreifen.