1853 -
Frankfurt
: Trowitzsch
- Autor: Woysche, Eduard, Baumgart, Fr.
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Elementarschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Elementarschule, Landschule, Stadtschule
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Die gestreifte Riesenschlange.
Die gestreifte Riesenschlange trifft man an den Küsten von Coromandel,
Malabar, Bengalen, zu Sumatra, ja selbst in China an. Sie lebt an niedrig
gelegenen, schattigen, vom Wasser überschwemmten Orten und wird verschiedenen
Arten von Säugethieren sehr gefährlich.
Sie umschlingt ihre Beute mit irgend einem Theile ihres Körpers, schließt
dieselbe ringsum mit ihrem Leibe ein und erdrükkt sie, indem sie sich mit ihrem
Schwänze fest auf dem Boden anklammert und ihre Ringe zusammenzieht. Dann
erfaßt sie dieselbe mit ihrer Schnauze, worauf sich ihr Nachen nach Maßgabe der
Größe deö betreffenden Thieres erweitert, öffnet, und das Opfer nach und nach,
bis auf die Hörner selbst, — wenn es welche hat — verschwindet. Jetzt fällt
die Schlange in einen Zustand der Erstarrung, der während der ganzen Zeit der
Verdauung dauert.
Gewöhnlich überfallen diese Schlangen die Thiere, wenn sie, ihre» Durst zu
löschen, sich dem Wasser nähern. Sie kauern sich im hohen Grase oder Schilfe
in einer Spirallinie, den Kopf in der Mitte, nieder und erheben letzteren von
Zeit zu Zeit, um zu sehen, ob ihnen Beute naht. Sobald diese in ihren Bereich
gekommen ist, winden sie sich wieder auseinander und stürzen auf sie los. Erblikkrn
sie dieselbe am entgegengesetzten Ufer, so schleichen sie sachte ins Wasser, schwimmen
mit einer solchen Schnelligkeit und Leichtigkeit über den Fluß, daß die Oberfläche
kaum merklich bewegt wird, und erfassen das unglükkliche Thier in dem Augen-
blikke, wo es seinen Durst löschen will.
Die Riesenschlangen können einen Monat lang ohne Nahrung bleiben. Ihr
Hunger giebt sich durch den Verlust der äußersten Haut kund.
Ueber daö Ausbrüten der Eier dieser Schlangen hat rin französischer Natur-
forscher nach einiger Beobachtung Folgendes mitgetheilt.
Das meiner Beobachtung unterzogene Exemplar einer Riesenschlange war
rin Weibchen und in der Regel still und ruhig. Am 5. Mai 1847 wurde
dasselbe plötzlich wild und suchte beständig zu beißen; am andern Morgen warf
es 15 Eier, deren Schale äußerst weich und von graulich-weißer Farbe war.
Kurze Zeit nach dein Legen sammelte die Schlange alle Eier zu einem Haufen
zusammen, wand um denselben zuerst den hinteren Theil ihres Leibes, legte auf
diesen sodann in Spiralform die Fortsetzung desselben, und bildete so einen
kegelförmigen Knäuel, dessen Spitze ihr Kopf war. Dadurch bedekkte sie die Eier
so vollkommen, daß man Nichts mehr von ihnen gewahrte. Die Hitze ihres sonst
ganz kalten Leibes betrug, bei einer Wärme der Luft von 20'/,°, 41°. Nach
Verfluß von 56 Tagen, während welcher Zeit die Schlange auch nicht einen
Augenblikk ihre Lage verlassen hatte, zerbrach endlich die Schale des obersten Eies
und eine junge Riesenschlange stekkte den Kopf aus demselben hervor. Das kleine
Thier verließ aber die Schale noch nicht und zeigte nur hie und da deu Schwanz
oder den Kopf, während der mittlere Theil seines Körpers noch immer fest
im Ei ficifc» blieb. Am 3. Juli endlich kroch daö Junge aus, das in dem