1853 -
Frankfurt
: Trowitzsch
- Autor: Woysche, Eduard, Baumgart, Fr.
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Elementarschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Elementarschule, Landschule, Stadtschule
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das isländische Moos am besten. In Auszehrungen und Brustkrankheiten ist es
ein vortreffliches Mittel, das oft noch Rettung verschafft. Die Isländer schätzen
rö fast so hoch wie Mehl, indem sie Brot davon bakken, oder eö in Milch
gekocht genießen. Jenes arme Volk könnte in seinem so wenig hervorbringenden
Lande kaum leben ohne das isländische Mooö, daö dort alle nakkten Felsen über-
zieht, wo sonst kein anderes Kraut wachsen könnte, und mit Stecht von dem
dortigen Landmann höher geachtet wird, als alle Bäume und Kräuter seines
Landes.
Wenn im Anfang, ehe Island von Pflanzen bewohnt war, die Meeres-
wellen, so wie sie es dort noch öfters thun, von einer fernen Kiistengegend einen
edlen Baum, z. B. einen guten Obstbaum, und auf seiner Rinde daü arme,
unscheinbare, isländische Mooö heran an die Insel getrieben hätten, und beide
hätten reden können, da würde wohl der Baum großsprecherisch zum kleinen
Movs gesagt haben: „Da sonito’ ick nun, geführt von den Wellen dcs Oceans,
als ein künftiger Wohlthäter an diese Insel, und bald werden meine schönen
Blüthen und herrlichen Früchte von Allen, die da wohnen, das gebührende Lob
und Verehrung empfahen. Aber was willst du elendes, verächtliches Movs?
Dich wird man wegwerfen und mit Füßen treten." Das arme kleine Moos
hätte sich dann geschämt und geschwiegen. Aber siehe, nach wenig Jahren hätte
die Sache schon ganz anders ausgesehen; denn der schöne Baum, den die Ein-
wohner von Island vielleicht mit Jubel in die Erde gepflanzt hätten, kam dort
nicht fort, während das von ihnen gar nicht beachtete Moos, das sich ungemein
schnell vermehrt, genügsam sich über alle dürren Felsen hinwegzog und nun
den Tausenden, die dort wohnen, ihr tägliches Brot gab.
Von den Giftpflanzen.
Unter den Tausenden von Pflanzen, welche die Erde hervorbringt, giebt es
eine ziemliche Anzahl solcher, die da giftig sind; giftig aber nennen wir im
gewöhnlichen Leben Alles, was eine heftige und verderbliche Wirkung auf den
menschlichen Körper hervorbringt. Eine genaue Kenntniß derjenigen Giftkräuter,
die bei und wild wachsen, ist höchst wichtig und nothwendig. Schon manches
Kind und mancher erwachsene Mensch hat sich durch den Gebrauch oder Genuß
solcher schädlichen Pflanzen, weil sie ihm unbekannt waren, Gesundheit, Leib und
Geist zerstört, oder ist wohl gar eines qualvollen Todes gestorben.
Die gefährlichsten, bei uns wild wachsenden Giftkräuter sind folgende:
1) Der Seidelbast oder Kellerhals; man nennt ihn auch Berg-
pfeffer und Pfeffcrbeere. Er ist eine scharfe, giftige Pflanze. Seine
schöne Blüthe — sic sieht pfirsichblüthfarben aus und steht auf 2 bis 5 Fuß-
hohen Stämmchen in gedrungenen Aehren — erscheint ganz früh im März, wenn
noch Alles kahl ist. Sie gleicht sehr dem Näglein und hat Geruch. Späterhin
trägt die Pflanze erbsengroße, fast kugelige, fcharlächrothe Beeren und prangt
gar schön in unsern Ziergärten, ebenso schön aber auch auf den waldigen Ge-
birgen Deutschlands, die sich die Pflanze zur Heimath erkoren hat. Unter allen
Theilen des Seidelbastes besitzen die Beeren und die geruchlose Rinde das meiste
Gift.
2) Die weiße und gelbe Osterblume, auch Anemone genannt.
Beide Pflanzen wachsen in feuchten Wäldchen und auf sumpfigen Wiesen; sie
blühen im April. In den jungen Sprossen, der Wurzel und den Blättern ist
eine Schärfe enthalten, die stark genug ist, Blasen und schmerzhafte Geschwüre
zu erzeugen. Mit dem Wurzelsafte vergiften die Kamschadalen ihre Pfeile, und
bringen ihren Feinden dann solche Wunden bei, die, wenn daö Gift nicht
augenblikklich auögesogen wird, den Tod zur Folge haben.