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1. Deutsches Lesebuch für die oberen Abtheilungen ein- und mehrklassiger Elementarschulen in der Stadt und auf dem Lande - S. 311

1853 - Frankfurt : Trowitzsch
311 Roggen, Hafer, Gerste, Flachs, und von Gemüsen zog man Spargel, Pastinatwurzcln und große Rettige; Obstbaumzucht war unbekannt. Auf den wenigen, aber doch herrlichen Weideplätzen gingen große Heerden von Pferden und Rindernauch Schafe und Gänse waren nicht selten. In den Wäldern wimmelte es von Hirsche», Rehen, Rcnnthieren, Elcnnthieren, Auerochsen, Bären und Wölfen. — Wie das Land, so waren auch seine Bewohner. Sie hatten einen großen, starken und kräftigen Körperbau, lange blonde Haare und schöne blaue Augen. Ihre Lebensweise war einfach, ja roh. Sie nährten stch von Waldobst, wilden Beere», Milch, Käse, Haferbrei und Fleisch, und kleideten sich in Felle wilder Thiere. Bon Jugend auf an Abhärtung gewöhnt, ertrugen sie Hunger und Durst und fragten so wenig nach Wind und Wetter, daß sie im Winter, wie im Sommer lustig in die Flüsse sprangen, um sich zu baden. Sie schliefen auf der bloßen Erde in einer Hütte, die vor Sturm und Regen wenig schützte. Krieg und Jagd waren ihre Lust. Durchdrungen und beseelt von dem Geiste unbeschränkter Freiheit und Unabhängigkeit, liebten und bauten sie weder Städte»och Dörfer, sondern wohnten einzeln und zerstreut, ein Jeder in der Mitte seiner Feldmark, schweiften jagend über Berg und Thal, durch Wälder und Dikkicht, stärkten ihre Kraft und bildeten sich zu Helden im Kampfe mit den wilden Thieren.— Das ganze Bolk bestand aus zwei Klassen: Freien und Unfreien. Die Freien waren theils große und reich begüterte Geschlechter, Edle, auch Fürsten (d. h. Vordersten) genannt; theils minder begüterte, kleine Grund- besitzer, schlechtweg Freie genannt. Die Unfreien, meist wohl Kriegsgefangene, waren theils Knechte, Sklave», die mit Leib und Leben dem Herrn eigen waren und mit den Weibern die häuslichen Geschäfte besorgten; — theils sogenannte Halbfreie oder „hörige Leute," 'reiche auf dem Gruudeigenthum deö Herrn saßen und mit ihm, als demselben angehörig, betrachtet wurden, alle ländlichen Geschäflk verrichten, de» Akker bestellen, daö Vieh hüten und einen gewissen Zins a» Korn re. dem Herrn zahlen mußten. Die Edlen hatten vor den Freien keine eigentlichen Vorrechte; sie genossen nur eines höheren Anfehns, das sie durch Tugend und That festhalten mußten. Sie standen nur in den Angelegenheiten des Volkes vorauf und voran. Edle und Freie wurden im Uebrige» als vollkommen gleich angesehen und bildeten, wie wir heute sagen würden, die souveraine Nation. Ditcmaub gehörte zu derselben, wer nicht ein freies Grundeigenthum befaß; und nur, wer ein solches hatte, durfte Wehr und Waffen tragen und auf den Volksverfammlniigen an Voll- und Neumonden erscheinen, wo des Volkes Wohl berathen, über Krieg und Frieden entschieden, bürgerliche Streitigkeiten geschlichtet und Recht gesprochen wurde. War das Volk in Gefahr und der Krieg beschlossen, so wählten sie sich gewöhnlich auü den Edlen einen bewährten Tapfern zum Führer des Heerzuges und nannten ihn Herzog. Dieser ließ dann das Aufgebot zur Nationalbewaffnung (Heerbann) ergehen. Von Hof zu Hof, von Gemeinde zu Gemeinde, von Gau zu Gau verkündete es der „He erpfeil." Die Wehrmänner schaarten sich um ihren Führer und brachen auf. Die Weiber folgten dem Heere, ermunterten die Streitenden, pflegten die Verwundeten, sangen den Ermatteten Muth ein, erdolchten die Feigen, die zurükkflohen; und war Alles verloren, so würgten sic ihre Kinder und sich selbst, um verhaßter Knechtschaft zu entgehen. Mit dem Kriege aber hatte auch deö Herzogs Macht ein Ende. Oft, wenn diesem oder jenem berühmten Helden die Ruhe deö Friedens zu lange währte, forderte er Genossen zu irgend einem kriegerischen Abenteuer auf, und mit Freuden folgte ihm die kampflustige Jugend getreu bis in den Tod. Ewige Schande fiel auf den, der seinen Heerführer verließ, oder ihn im Kampfe überlebte und ohne ihn zurükkkehrte. Ein Theil der Beute und deö eroberten Landes war der Lohn der Treue. Auö dieser Kampfgenossenschaft oder dem freiwilligen Gefolge bildete 21*
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