1853 -
Frankfurt
: Trowitzsch
- Autor: Woysche, Eduard, Baumgart, Fr.
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Elementarschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Elementarschule, Landschule, Stadtschule
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Roggen, Hafer, Gerste, Flachs, und von Gemüsen zog man Spargel,
Pastinatwurzcln und große Rettige; Obstbaumzucht war unbekannt. Auf den
wenigen, aber doch herrlichen Weideplätzen gingen große Heerden von Pferden
und Rindernauch Schafe und Gänse waren nicht selten. In den Wäldern
wimmelte es von Hirsche», Rehen, Rcnnthieren, Elcnnthieren, Auerochsen,
Bären und Wölfen. — Wie das Land, so waren auch seine Bewohner. Sie
hatten einen großen, starken und kräftigen Körperbau, lange blonde Haare und
schöne blaue Augen. Ihre Lebensweise war einfach, ja roh. Sie nährten stch
von Waldobst, wilden Beere», Milch, Käse, Haferbrei und Fleisch, und kleideten
sich in Felle wilder Thiere. Bon Jugend auf an Abhärtung gewöhnt, ertrugen
sie Hunger und Durst und fragten so wenig nach Wind und Wetter, daß sie
im Winter, wie im Sommer lustig in die Flüsse sprangen, um sich zu baden.
Sie schliefen auf der bloßen Erde in einer Hütte, die vor Sturm und Regen
wenig schützte. Krieg und Jagd waren ihre Lust. Durchdrungen und beseelt
von dem Geiste unbeschränkter Freiheit und Unabhängigkeit, liebten und bauten
sie weder Städte»och Dörfer, sondern wohnten einzeln und zerstreut, ein Jeder
in der Mitte seiner Feldmark, schweiften jagend über Berg und Thal, durch
Wälder und Dikkicht, stärkten ihre Kraft und bildeten sich zu Helden im Kampfe
mit den wilden Thieren.— Das ganze Bolk bestand aus zwei Klassen: Freien und
Unfreien. Die Freien waren theils große und reich begüterte Geschlechter, Edle,
auch Fürsten (d. h. Vordersten) genannt; theils minder begüterte, kleine Grund-
besitzer, schlechtweg Freie genannt. Die Unfreien, meist wohl Kriegsgefangene, waren
theils Knechte, Sklave», die mit Leib und Leben dem Herrn eigen waren und
mit den Weibern die häuslichen Geschäfte besorgten; — theils sogenannte
Halbfreie oder „hörige Leute," 'reiche auf dem Gruudeigenthum deö Herrn
saßen und mit ihm, als demselben angehörig, betrachtet wurden, alle ländlichen
Geschäflk verrichten, de» Akker bestellen, daö Vieh hüten und einen gewissen
Zins a» Korn re. dem Herrn zahlen mußten. Die Edlen hatten vor den
Freien keine eigentlichen Vorrechte; sie genossen nur eines höheren Anfehns,
das sie durch Tugend und That festhalten mußten. Sie standen nur in
den Angelegenheiten des Volkes vorauf und voran. Edle und Freie wurden im
Uebrige» als vollkommen gleich angesehen und bildeten, wie wir heute sagen
würden, die souveraine Nation. Ditcmaub gehörte zu derselben, wer nicht ein
freies Grundeigenthum befaß; und nur, wer ein solches hatte, durfte Wehr und
Waffen tragen und auf den Volksverfammlniigen an Voll- und Neumonden
erscheinen, wo des Volkes Wohl berathen, über Krieg und Frieden entschieden,
bürgerliche Streitigkeiten geschlichtet und Recht gesprochen wurde. War das
Volk in Gefahr und der Krieg beschlossen, so wählten sie sich gewöhnlich auü
den Edlen einen bewährten Tapfern zum Führer des Heerzuges und nannten ihn
Herzog. Dieser ließ dann das Aufgebot zur Nationalbewaffnung (Heerbann)
ergehen. Von Hof zu Hof, von Gemeinde zu Gemeinde, von Gau zu Gau
verkündete es der „He erpfeil." Die Wehrmänner schaarten sich um ihren
Führer und brachen auf. Die Weiber folgten dem Heere, ermunterten die
Streitenden, pflegten die Verwundeten, sangen den Ermatteten Muth ein,
erdolchten die Feigen, die zurükkflohen; und war Alles verloren, so würgten sic
ihre Kinder und sich selbst, um verhaßter Knechtschaft zu entgehen. Mit dem
Kriege aber hatte auch deö Herzogs Macht ein Ende. Oft, wenn diesem oder
jenem berühmten Helden die Ruhe deö Friedens zu lange währte, forderte er
Genossen zu irgend einem kriegerischen Abenteuer auf, und mit Freuden folgte
ihm die kampflustige Jugend getreu bis in den Tod. Ewige Schande fiel auf
den, der seinen Heerführer verließ, oder ihn im Kampfe überlebte und ohne ihn
zurükkkehrte. Ein Theil der Beute und deö eroberten Landes war der Lohn der
Treue. Auö dieser Kampfgenossenschaft oder dem freiwilligen Gefolge bildete
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