1850 -
Leipzig
: Wöller
- Autor: Winter, Georg Andreas
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Stadtschule, Landschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Landschule, Stadtschule
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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ihrer ist eine unaussprechlich große Zahl. Darum soll der Mensch
den thörichten, stolzen Gedanken, alles sei nur seinetwegen da, nicht
hegen, sondern er soll an den Thieren, seinen Mitgeschöpfen, Erbar-
men und Menschlichkeit üben, daß er nicht durch Grausamkeit sich
selbst entwürdige, und ein Mensch ohne menschliches Wesen und Ge-
fühl werde. Der nur ist und wird ein wahrhaft guter Mensch, der
es für einen Frevel vor Gott hält, irgend einem seiner Mitgeschöpfe,
sei's Mensch oder Thier, einen Seufzer oder einethräne auszupressen.
Darum, ihr Land- und Ackerleute, die ihr euer Zugvieh
ans Joch spannt, seid Menschen, seid Christen, und erbarmet euch,
als Gerechte, eures Viehes! Ich will nicht sagen, daß ihr es tüchtig
füttern sollt, das thut ihr von selbst; denn es ist euer Vortheil.
Nein, ich fordrc mehr und andres von euch. Fluchet nicht euren
Thieren! Den Fluch hört Gott. Er trifft nicht das arme, schuldlose
Thier, sondern auf euer Haupt fällt er zurück! Schlaget das
Thier nicht! Ihr könnt's an euer Wort gewöhnen, daß ihr der
unmenschlichen Peitsche gar nicht mehr bedürfet. Ladet nicht schwerer,
als euer armes Vieh ziehen oder tragen kann! Schonet's, wenn es
bergauf geht! Ihr keucht ja ohne Last — denkt einmal an das arme
Thier, das nun noch die Last zieht!
Ihr Kutscher und Fuhrleute, übertreibt das Thier nicht!
Zerschlagt eure Peitschenstiele und Knotenstöcke nicht am Thiere. O,
es steht es Einer droben, dem ihr Rechenschaft geben müsset von
jedem Seufzer des gemarterten Thieres, von jedem Schmerzensschrei und
Acchzen der Kreatur, das ihr hervorruft! Füttert euer Thier und
tränket es zur Zeit; gebt Acht auf seinenoth und sein Bedürfniß, auf
seine Gesundheit und Krankheit und auf seine Wünsche. Reden
kann's nicht; aber verstehen könnet ihr seine stumme Sprache doch
gar leicht.
Menschenfreunde, wo ihr seid, helfet, helfet dem Thiere eine
Erlösung gewinnen, eine Erlösung vom Menschen und seiner Grausam-
keit! Der Herr im Himmel liebt auch das Thier. Er hat es neben
uns gestellt; läßt cs an den Leiden und Freuden der Erde täglich
Theil nehmen, mit uns leben und sterben. Er gab dem Thiere
Leben und Empfindung, Furcht und Hoffnung in seiner Weise und
auf seiner Stufe und sieht und hört es stöhnen! ^
Also, ihr Menschen alle, ihr, das Ebenbild Gottes, des allliebenden
Vaters: liebt das Thier, achtet es!
Und du, Herr aller deiner Wesen, segne, segne dieß Wort, daß
es nicht leer. zu mir zurückkehre! Amen! Nach P. Sch-Ulm.