1850 -
Leipzig
: Wöller
- Autor: Winter, Georg Andreas
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Stadtschule, Landschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Landschule, Stadtschule
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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tief und hohl in der Ferne. Jetzt geht ein gewaltiges Rauschen und
Brausen durch die Lüfte. Einzelne große Regentropfen stürzen hart
aufschlagend zur Erde. Da flammt ein mächtiger, schwefelgelber Blitz
und urplötzlich folgt ihm der Donner in einer solch' alles bewältigen-
den, furchtbaren Stärke, als ob Himmel und Erde in Trümmer
bersten sollten! Zagenden Blickes und mit demüthig gefalteten
Händen überschaut der Mensch den Aufruhr der Elemente, und seine
Ohnmacht und Niedrigkeit ganz erkennend, seufzt er bange: „Herr,
Herr Gott! gnädig und barmherzig, sei mit uns!" Und immer
feuriger flammen die Blitze, und immer mächtiger krachen und prasseln
die Donner, und immer hastiger tobt und raset der Sturm, und
immer schwärzer färbt sich der Himmel, und inuner dunkler wird es
auf der Erde. Ein tiefes Weh! durchzuckt des Menschen banges
Herz. Da entladen die finstern Wolken ihre Wassermassen. In dichten
Strömen gießen sie brausend ihren Inhalt über die geängstigte Erde
aus. In wenigen Minuten stehen Wege und Straßen unter Wasser,
das in tobenden und polternden Gießbächen zischend und wildschäu-
mend vorüberschießt. Und wieder wenig Minuten — und die sanfter
strömenden Winde drängen die schlaffen und zerflossenen Wolkenge-
bilde in raschem Zuge weiter; der Himmel fängt an sich zu lichten;
die Donner rollen seltner und schwächer; die Blitze zucken vereinzelt
und matter. Innig dankend dem Herrn der Wetter für seinen Schutz
und seine Gnade blickt der Mensch froh umher und erfreut sich der
erfrischenden Kühle und des würzigen Duftes, der über die Natur
ausgegossen ist. Bald glänzt die Sonne wieder friedlich und klar
vom hohen Himmelsdome, und ein tausendstimmiger Lobgesang wir-
belt aus Flur und Wald zum Allgütigen empor! Gg. A. Winter.
91. Der Herbstmorgen. (Idylle.)
96. Die frühe Morgensonne flimmerte schon hinter dem Berge
herauf und verkündigte den schönen Herbsttag, als Mikon an's
Gitterfenster seiner Hütte trat. Schon glänzte die Sonne durch das
purpurgestreifte, grün-und gelbgemischte Rebenlaub, das, von sanften
Morgenwinden bewegt, am Fenster sich wölbte. Hell war der Himmel;
Nebel lag wie ein See im Thale, und die höchsten Hügel standen,
Inseln gleich, daraus empor mit ihren rauchenden Hütten und ihrem
bunten herbstlichen Schmucke im Sonnenglanze; gelb und purpurn,
wenige noch grün, standen die Bäume mit reifen Früchten überhangen
im schönsten Gemische. Im hohen Entzücken übersah er die weit
ausgebreitete Gegend, hörte das frohe Gebrüll der Heerden und die
Flöten der Hirten nahe und fern, und den Gesang der muntern
Vögel, die bald hoch in heller Luft sich jagten, bald tiefer im Nebel
des Thales sich verloren. Staunend stand er lange so; aber in