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1. Drittes Lesebuch - S. 7

1861 - Trier : Leistenschneider [u.a.]
7 11. Des frommen Meinrads Naben. Eines Tages klopften zwei Wanderer im Pilgerkleide an der Thüre der Zelle, welche der heilige Eremit Meinrad von Einsiedeln schon seit Jahren bewohnte, und flehten um Speise und Obdach. Voll Bruderliebe öffnete der heilige Ein- siedler die Thüre, ließ die Bittenden ein und schickte fick) also- bald an, eine kräftige Mahlzeit zu bereiten. Während Meinrad im Dienste der Nächstenliebe sich emsig beschäftigte, schlichen die verdächtigen Gäste, die nun allein in der Zelle waren, nach dem Fensterlein und warfen scheu und raublüstern ihre scharfen Blicke durch die offenstehende Pforte des Krrchleins, woraus im Widerscheine der Sonnenstrahlen eine silberne Lampe, die vor dem Altare hing, ihren Glanz der glatten Felsenwand mit- theilte. Sogleich sannen die Gottlosen auf Arges und beschlossen, dieses Kleinods sich auf jede mögliche Weise zu bemächtigen. — Da kam Ateinrad zurück, und brachte mit der freundlichsten Güte, die je die zufriedenen Züge eines Greisengesichts verklärte, einige Spersen herbei, die er in aller Eile für die dürftigen und müden Gäste hatte zurichten können. Lächelnd ermunterte er sie, nach Herzenslust von dem zu nehmen, was er zu geben im Stande sei, und ging darauf (es nahete die Zeit zur Ves- perandacht) in die Kapelle, um sein Gebet am Altare, wie es ihm heilige Gewohnheit war, zu verrichten. Hohnlachend sahen die vermummten Pilger dein Frommen nach, und wie er ein- getreten war, in das'kirchlein, und sie ihn knieen sahen an den Stufen, warfen sie die falschen Kleider von sich, schwangen in größter Freude die eisernen Keulen, die sie bisher unter dem Brustgürtel verborgen hatten, und schlichen mit der Blutgier heimtückischer Hyänen auf leisen Füßen und fast ohne Athem hinein in die feierliche Stille des Heiligthums. Das ehrwürdige Greisenhaupt mit den langen Silberlocken richtete gerade den frommen Blick nach dem schönen Bilde, von dem die himmlische Jungfrau und das göttliche Knäblein auf ihrem zarten Schooße zu ihm niederschauten — da zischte hinter ihm pfeilschnell ein Streich schauerlich durch die Luft und traf mit Zentnerschwere den Scheitel; noch einer — und der Greis lag entseelt an den Stufen des Altares. In Strömen floß das Blut aus den zerquetschten Adern und suchte sich ein Rinnsal durch die Mitte des Bodens bis vor die Pforte der Kapelle. — Die Mörder lösten eilig die silberne Lampe von der Schnur und rannten in schrecklicher Gewissensangst, als wollten sie der gerechten Strafe des Himmels entfliehen, aus dem Kirchlein über Stock und Stein, um in den tiefen Wald sich zu retten. Aber kaum waren sie im Freien, so vernahmen sie ein gräßliches Geschrei
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