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1. Drittes Lesebuch - S. 93

1861 - Trier : Leistenschneider [u.a.]
93 Auf Pfeilern und auf Bogen, fchwer, Aus Quaderstein von unten auf, Lag eine Brücke drüber her, Und mitten stand ein Häuschen drauf. Hier wohnte der Zöllner mit Weib und Kind. „O Zöllner, o Zöllner, entfleuch geschwind!" Es dröhnt' und dröhnte dumpf heran, Laut heulten Sturm und Wog' ums Haus. Der Zöllner sprang zum Dach hinan Und blickt' in den Tumult hinaus. „Barmherziger Himmel, erbarme dich! Verloren! Verloren! Wer rettet mich? Die Schollen rollten Schuß auf Schuß; Von beiden Ufern, hier und dort! Von beiden Usern riß der Fluß Die Pseiler sammt den Bogen fort. Der bebende Zöllner mit Weib und Kind, Er heulte noch lauter, als Strom und Wind. Die Schollen rollten Stoß auf Stoß, An beiden Enden, hier und dort; Zerborsten und zertrümmert, schoß Ein Pfeiler nach dem andern fort. Bald nahte der Mitte der Umsturz sich. - „Bannherziger Himmel, erbarme dich!" Hoch auf dem fernen Ufer stand Ein Schwarm von Gaffern, groß und klein; Und jeder schrie und rang die Hand, Doch mochte Niemand Retter sein. Der bebende Zöllner mit Weib und Kind Durchheulte nach Rettung den Strom und Wind! Rasch galloppirt' ein Graf hervor Auf hohem Roß, ein edler Graf*). Was hielt des Grafen Hand empor? Ein Beutel war es, voll und straff. „Zweihundert Pistolen sind zugesagt Dem, welcher die Rettung der Armen wagt!" Und immer höher schwoll die Fluth, Und immer lauter schnob der Wind, Und immer tiefer sank der Muth. „O Retter, Retter, komm geschwind! Stets Pfeiler bei Pfeiler zerborst und brach; Laut krachten und stürzten die Bo- gen nach. „Halloh! halloh! ftisch auf! gewagt!" Hoch hielt der Graf den Preis empor. Ein Jeder hört's, doch Jeder zagt, aus Tausenden tritt keiner vor. Vergebens durchheulte mit Weib und Kind Der Zöllner nach Rettung den Strom und Wind. Sieh', schlecht und recht ein Bauers- mann**) Am Wanderstabe schritt daher, Mit grobem Kittel angethan, An Wuchs und Antlitz hoch und hehr. Er hörte den Grafen, vernahm sein Wort, . Und schautedas nahe Verderben dort. Und kühn in Gottes Namen sprang Er in den nächsten Fischerkahn; Trotz Wirbel, Sturm und Wogen- drang Kam der Erretter glücklich an. Doch wehe! der Nachen war allzuklein, Der Retter von Allen zugleich zu sein. Und dreimal zwang er seinen Kahn Trotz Wirbel, Sturm und Wogen- drang. Und dreimal kam er glücklich an, Bis ihm die Rettung ganz gelang. Kaum waren die Letzten im sichern Port, So rollte das letzte Getrümmer fort. „Hier," rief der Graf, „mein wackrer Freund, Hier ist der Preis! komm her, nimm hin!" Sag' an, war das nicht brav gemeint? Bei Gott, der Graf trug hohen Sinn! Doch höher und himmlischer wahr- lich schlug Das Herz, das der Bauer im Kit- tel trug. „Mein Leben ist für Gold nicht feil. Arm bin ich zwar, doch hab' ich satt. Demzöllner werd'euer Geld zu Theil, *) Der Name des Grafen war Spo lv erini. *•) Der Name des Bauern ist nie bekannt geworden.
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