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1. Drittes Lesebuch - S. 104

1861 - Trier : Leistenschneider [u.a.]
104 aber seine Gehilfen zur Rede. Da schob ein Jeder die Schuld auf den Andern; endlich suchten sich Alle durch einen ans den Küchenknaben, Karl Dickopp, geworfenen Berdacht.zu entle- digen, der das Kind armer aber redlicher Fischerslente in der Vorstadt St. Medardus war. Da alle den Knaben bezüchtigten, ward er unschuldigerweis zum Dieb gemacht. Zwar achteten die wackern Eltern ihren Sohn kaum fähig solcher Unthat; als aber von allen Seiten sich so viele Stimmen gegen ihn erhoben, glaubten endlich auch die Eltern, schlugen den Knaben, der auch sonsten allenthalben geschmäht und beschimpft ward. Da ward die Verzweiflung seiner Meister, und Karl ging, ein zarter Bursch von fünfzehn Jahren, eines Tages auf und davon. Dickopp gelangte endlich nach mancherlei Drangsalen in die Kaiserstadt Wien, wo er einen wohlhabenden Verwandten hatte. Dem erzählte er sein Unglück unter vielen Thränen. Der Verwandte glaubte seinem freimüthigen Wesen, und nahm sich des Burschen an, den auch viele vornehme Herren, die sein Schicksal erfuhren, liebgewannen. Er lag mit großem Fleiß dem Studiren ob, und ward ein feiner, hochgelehrter Mann. Da warf der reiche Graf von Schwarzenberg sein Aug' auf ihn und bestellte ihn zum Obersten seines Hauses, hatte ihn auch dermaßen lieb, daß er ihn bei seinem Verscheiden zum Erben aller seiner Güter einsetzte. Kaiser Ferdinand*) er- hob den weiland armen verfolgten Küchenknaben in den Adel- stand, und benannte ihn in dem Adelsbriefe: Karl Eucharius Medardinus von Rottenfelt, bestellte ihm auch zum K. Geheimrath. Sechzig Jahre, nachdem Dickopp seiner Heimath Va- let gesagt, ergriff den hochbetagten Mann die Begier nach sei- ner Wiege im Moselthal; er machte sich auf, und kam nach Trier; begab sich mit ansehnlichem Gefolg in die Abtei St. Matthias. Des andern Tags bei der Tafel, wo mehrere fremde Gäste anwesend, begann der Fremdling und unbekannte Gast, sich nach der Geschichte des armen Küchenknaben, Karl Dickopp, zu erkundigen. Da war Keiner, der ihm Antwort gab; dem Abt und den Konventualen war die Sache wie eine Traumge- schichte. Endlich trat ein 86jähriger Greis des Klosters hervor und erzählte den ganzen Hergang mit thränenden Augen, auch wie der silberne Löffel sich einige Tage nach des Knaben Flucht im Spülfaß wiedergefunden, wie allgemeine Trauer darum im Kloster gewesen, und des Knaben Eltern vor Gram gestorben. *) Ferdinand Iii. von 1637 bis 2. April 1657.
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