1861 -
Trier
: Leistenschneider [u.a.]
- Autor: ,
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Elementarschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Katholische Elementarschule
- Regionen (OPAC): Trier
- Konfession (WdK): Römisch-Katholisch
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auf die Rückkehr ihrer Männer, 47 Kinder hatten ihre Väter
und Versorger verloren; außerdem hatten noch sechs jüngere
Männer ihren Tod in den Wellen gefunden.
333. Die peft und ötc große Prozession in Münster.
Bischof Ludwig von Hessen, welcher im Jahre 1310 Fürstbischof
von Münster wurde, war einer der kräftigsten und besten Fürsten, deren
sich das [lochstift zu erfreuen gehabt hat. Es bedurfte auch in jenen
Zeiten eines solchen Mannes, denn die unruhigen Gesinnungen der be-
nachbarten Herren verwickelten ihn in beständige Fehden, die Ludwig
während seiner 48jährigen Regierung mit dem grössten Heldenmuthe
auskämpfte. Durch ein entsetzliches Uebel, welches sich während sei-
ner Regierung aus andern Ländern auch nach Münster verbreitete,
wurde indessen die Thätigkeit dieses Fürsten vorzugsweise in Anspruch
genommen. Schon zu Anfang des 14. Jahrhunderts, uni das Jahr 1345,
hatte sich in mehren Gegenden von Frankreich, während eine allge-
meine Hungersnoth herrschte, sowie in Deutschland eine bösartige
Krankheit gezeigt, welche auch während der beiden folgenden Jahre
fortdauerte. Um das Jahr 1347 verbreitete sich von Asien, Aegypten
und der europäischen Türkei her die Pest nach Italien, und durch
Handelsverkehr mit diesem Lande auch nach Deutschland. Hier hat
sie in den ersten Jahren, 1347 bis 1350, auf eine so entsetzliche Weise
gewüthet, dass an vielen Orten kaum der hundertste Mensch am Leben
blieb. Zu Osnabrück blieben nur sechs, zu Hamm nur zehn Familien
übrig, in Bremen wurden täglich 200 Todte begraben und die Stadt-
thore standen Tag und Nacht offen- Auch in Münster verbreitete sich
dieses furchtbare Uebel und raffte in gar nicht langer Zeit über 11,000
Einwohner hinweg. Schon der Hauch des Kranken war den Gesunden
tödtlich, und so war die Seuche in wenigen Tagen über Stadt und
Land verbreitet. Der Gottesdienst musste eingestellt, die Kirchen
mussten geschlossen werden. Zwar predigten anfangs noch einige
Geistliche dem Volke im Freien, wie denn noch in jetziger Zeit an der
St Servatii-Kirche die Stelle gezeigt wird, wo eine solche Kanzel in der
Pestzeit angebracht war; allein auch diese musste aufhören, da der
Zusammenfluss von Menschen die Ansteckung beförderte und die Geist-
lichen selbst hinweggerafft wurden Diese Pest und ein nach ihrem
Aufhören die Stadt verheerender furchtbarer Brand sind die Veranlas-
sung zur Stiftung der sogenannten grossen Prozession geworden In
der Diöcese Münster bestehen in vielen Gemeinden ausser der Frohn-
leichnahmsprozessionen sogenannte Brandprozessionen, wobei ebenfalls
das hl. Sakrament umhergetragen wird. Wozu sie angeordnet sind,
zeigt schon ihr Name an; es sind Bittgänge, um von Gott die Gnade
zu erflehen, dass er die Gemeinde vor Brand und anderen Unglücks-
fällen bewahren wolle. Sie gleichen darin den Rogationsprozcssio-
nen, die kurz vor dem Himmelfahrtsfeste gehalten werden, hinter
diesen Bittgängen zeichnet sich besonders die eben genannte grosse
Prozession aus. Sie wurde von dem Bischöfe Heidenreich aus dem
edlen Geschlechte der Wolfe zu Lüdinghausen, wie schon gesagt, nach
dem Aufhören der Pest im Jahre 1382 und nach der grossen Feuers-
brunst, die im folgenden Jahre am 22. November einen bedeutenden
Theil der Stadt von der Servatii-Kirche bis zur Georgs-Commende mit
Einschluss der Ludgerii- und Aegidh-Pfarrkirche einäscherte, angeord-
net, und war anfangs eine blosse Rogationsprozession. Die Geistlichen