1861 -
Trier
: Leistenschneider [u.a.]
- Autor: ,
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Elementarschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Katholische Elementarschule
- Regionen (OPAC): Trier
- Konfession (WdK): Römisch-Katholisch
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und sie waren Freunde. O, wie viele Streitigkeiten könnten auf eine
so edle Art in Güte beigelegt werden.
Einige Zeit nachher reis'te der Erzbischof Werner von Mainz
durch die Schweiz nach Rom zum heiligen Vater. Er bat den Grafen
von Habsburg um sicheres Geleit durch sein Gebiet, und Rudolph ge-
währte es ihm nicht nur mit ritterlicher Höflichkeit, sondern begleitete
ihn auch noch viel weiter, als es verlangt worden war. Er unterhielt
ihn unterwegs so ausgezeichnet, sprach von allen Dingen mit so viel
Geist und Einsicht, daß der Erzbischof eine hohe Meinung von ihm
bekam. Beim Abschiede drückte er dem Grafen bieder die Hand und
versicherte ihm daß er seiner stets mit Achtung und Liebe gedenken
würde.
Bald fand sich dazu eine erwünschte Gelegenheit. Es starb der
Kaiser, damals ein englischer Prinz, Richard von Cornwallis,° das
Reich war ohne Oberhaupt, und die Fürsten wußten nicht, wen sie
wählen sollten. Da trat Erzbischof Werner unter ihnen auf, empfahl
ihnen mit allem Feuer seiner Beredsamkeit den wackeren und verstän-
digen Grafen von Habsburg und brachte es, von andern Fürsten
unterstützt, dahin, daß Rudolph gewählt wurde. Dieser hatte nicht im
Mindesten von dem Ahnung, was in Betreff seiner in so weiter Ferne
vorging. Er war eben damals beschäftigt, die Baseler für seine miß-
handelten Knechte und den getödteten Ritter zu züchtigen, und lag
mit seinem ganzen Troste vor ihrer Stadt. Hier fanden ihn auch die Ab-
geordneten der Reichsfürsten, die ihn mit der höchst unerwarteten Nach-
richt überraschten, er sei zum deutschen Kaiser gewählt. Denkt
euch sein freudiges Erstaunen und das Jubelgeschrei seines kleinen Heeres!
Rudolph fühlte sich dazu tüchtig. Die Kraft, die in ihm lebte, sagte
ihm, daß er würdiger als mancher seiner Vorgänger auf dem deutschen
Throne sitzen würde. Er stellte daher schnell seine Fehde mit den
Baselern ein, verzieh ihnen als Kaiser die Verunglimpfung, welche er
als Graf von ihnen erlitten hatte, und zog eiligst nach Aachen, wo-
selbst er am 31. October zum Kaiser gekrönt ward.
Nach der Feierlichkeit traten die deutschen Fürsten zu ihm, um
sich im Besitze ihrer Lande nach hergebrachter Sitte bestätigen und neu
belehnen zu lasten. Dies mußte mit dem Zepter geschehen °, aber, siehe
da! es war kein Zepter zur Hand. Rudolph, ohne irgend in Ver-
legenheit zu gerathen, war schnell gefaßt. Er nahm ein vor ihm stehen-
des Crucefix mit den Worten: „Dieses Kreuz, das die Welt erlöset
hat, wird ja wohl die Stelle eines Zepters vertreten können !" Allen gefiel
diese Rede, und die Fürsten, die schon im Begriffe gewesen waren, sich
ohne Huldigung wieder zu entfernen, blieben stehen und wurden ver-
mittelst des Kreuzes belehnt.
Unter die deutschen Reichsvasallen, d. h. unter die Fürsten, welche
dem Kaiser und dem Reiche unterthänig waren, gehörte auch Ottokar