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1. Drittes Lesebuch - S. 461

1861 - Trier : Leistenschneider [u.a.]
461 Freunde, es hat mich schon oft gereut, daß ich zu streng war; nie aber soll es mich reuen, daß ich zu gut gewesen bin!" Einst, da er, ich weiß nicht, wohin fuhr, begegnete ihm ein Land- mann mit seinem Wagen, Der Kutscher verlangte, der Bauer sollte ausweichen. „Wo soll ich hinfahren?" sagte der drollige Mensch halb im Scherz, halb im Ernst; „des Kaisers große Nase nimmt ja den ganzen Weg ein." — „Was sagt der Mann von meiner Nase?" fragte Rudolph. Der Kutscher sagte es ihm. Alle, die es mit an- hörten, waren begierig, was nun mit dem unverschämten Bauer ge- schehen würde. Rudolph nahm aber die Sache als Spaß und wandte sein Gesicht zu Seite. „Hast du nun Platz?" fragte er dann den Bauer. — „Platz mehr, als genug!" rief der erschrockene Mann, dem nicht mehr recht wohl zu Muthe war und jagte eiligst davon. Ein ander Mal, da er sein Feldlager in der Gegend von Mainz hatte, ging er in unansehnlicher Bekleidung, unerkannt durch die Stra- ßen, und weil eben eine empfindliche Kälte eingetreten war, wärmte er seine erstarrten Hände an einem Haufen Kohlen, die man aus einem Backofen genommen hatte. Die Bäckerin aber, eine erzböse Frau, wollte dieses nicht zugeben. Sie hielt ihn für einen gemeinen kaiser- lichen Soldaten und war aus den Kaiser selbst sehr übel zu sprechen. „Marsch!" sagte sie zu ihm, „troll' dich fort zu deinem Bettelkönige, der mit seinen Knechten das ganze Land auffrißt, oder ich gieße dir, wahrhaftig wenn du nicht gleich gehst, Liesen ganzen Kübel über den Kopf!" Dabei war sie unerschöpflich in den beleidigendsten Worten, und da Rudolph ihr Vorstellungen zu machen suchte, goß sie ihm wirklich in der Wuth das eiskalte Wasier über das Gesicht und den ganzen Körper. Der Kaiser entfernte sich auf Las Schnellste und ging in das Lager zurück, wo er sich umkleidete. Ueber Tisch erzählte er, was ihm be- gegnet war. Anstatt aber das böse Weib zu strafen, schickte er ihr eine Schüsiel voll Speisen nebst einer Flasche Wein und ließ ihr sagen, es sende ihr das der alte Landesknecht, dem sie diesen Morgen den Kübel Wasier über den Kopf gegosien habe, und lasse sich recht schön bedanken. Als die Bäckerin hörte, daß der alte Mann der Kaiser selbst gewesen sei, wollte sie vor Schrecken in den Boden sinken. Sie lief zu ihm hinaus in das Lager und warf sich ihm zu Füßen. Ru- dolph aber stellte sie seiner Tischgesellschaft vor und forderte keine andere Genugthuung von ihr, als daß sie vor den anwesenden Herren alle Worte, die sie gebraucht hatte, treulich wiederholen sollte. Sie durste kein einziges vergesien; wo sie sich nicht mehr erinnerte, da half ihr Ru- dolph nach, und so entstand eine Scene, bei welcher sich alle anwe- senden Gäste des Lachens nicht erwehren konnten. Kaiser Rudolph, ein tapferer, gütiger, durchaus zu achtender, in Wort und That zuverlässiger Fürst, von einfacher Sitte und dem edelsten Herzen, verdient noch jetzt allen Regenten zum Muster auf-
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