1863 -
Essen
: Bädeker
- Autor: Bender, Ludwig, Haesters, Albert
- Auflagennummer (WdK): 5
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Evangelische Volksschule
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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Die Bewohner Sachsens bekennen sich, mit Ausnahme von 40,000
Kacholiken, zur evangelischen Kirche; die königliche Familie ist
katholisch.
36. Das Erzgebirge.
Das Erzgebirge umsaßt den größten und volkreichsten Theil des
Königreichs Sachsen. Dort erheben sich die meisten und höchsten Berge,
dort sind die größten Waldungen, dort ist der Born der meisten größeren
Flüsse des Landes mit Ausnahme der Elbe, dort ist das Vaterland des
sächsischen Bergbaues, der Fabriken, des Klöppelwesens, zum
Theil auch der Baum- und Schafwollenweberei und Holz-
waarenarbeiten, dort ist der größte Reichthum in und oft die größte
Armuth über der Erde; denn während man oben klöppelt, spinnt,
webt re., wird in und unter der Erde geklettert, gehämmert, gekarrt u. s. w.
Die Fälle sind nicht selten, daß, während Mutter und Töchter am Klöp-
pelsack sitzen, tief darunter Vater und Söhne als Bergknappen arbeiten.
Vom Meißner und Leipziger Kreise steigt das Land allmählich
an, erhebt sich wellenförmig, in stetem Wechsel von Berg und Thal, bis
zu den höchsten Punkten an Böhmens Grenze, und ist reich an Natur-
schönheiten aller Art, aber auch an Gegenden, wo nur düstere Wälder
und kahle Bergrücken dem Auge sich darstellen — wo kein Singvogel
nistet und nur selten eine Biene summt, weil sie den Rauch der Ham-
mer- und Schmelzhütten flieht — wo keine Rebe prangt, wenig
Obst und selten Korn gedeiht — und wo gewiß Unzählige sterben, die
nie eine Pstrsiche oder Weintraube gesehen, geschweige denn gekostet haben.
Ungeheure Waldungen decken besonders die höheren Gegenden und ver-
sorgen einen großen Theil des leipziger und meißner Kreises mit H o lz,
neben welchem es auch nicht an Torf und Steinkohlen fehlt. Des
Bodens wellenförmige Gestalt und Steinreichthum erschweren
Feld- und Gartenbau, und rauhes Klima vereitelt in den höchsten
Gegenden nicht selten die Anstrengungen des Landmannes. Der Felder
bester Segen sind Hafer, Lein und Erdäpfel. Letztere, welche
man vor etwa hundert Jahren statt Butter zum Brode aß, vertreten
jetzt nicht selten des letzteren Stelle, und sind die wahre Brodfrucht
des Erzgebirges, woran der Arme den größten Theil des Jahres hängt:
die Frucht, die oft nur mit Salz, seltener mit Butter oder Leinöl,
sein Morgen-, Mittag- und Abendbrod giebt. Gar oft zählt man sie
den Kindern wie Leckerbissen zu, und sich daran satt essen zu können,
ist mancher Familie wahre Erquickung. — Ohne Getreidezufuhr aus
Böhmen und den anstoßenden Provinzen würde der arme Erzgebirger
oft hungern müssen, obschon er mit unglaublicher Anstrengung, gleich
dem Tyroler und Schweizer, der Erde gleichsam abzuzwingen sucht,
was sie ihm versagt. Halbe Stunden weit trägt er in Körben guten
Boden und Dünger auf nackte Felsen, wo nicht selten ein Platzregen
ihn wegschwemmt. Bergabhänge bepflügt er, die der Niederländer
kaum beklettern kann. Gras mäht er auf Höhen, wo ein Fehltritt