1863 -
Essen
: Bädeker
- Autor: Bender, Ludwig, Haesters, Albert
- Auflagennummer (WdK): 5
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Evangelische Volksschule
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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erdröhnte jener fürchterliche Donner wieder, unv zusammenbrach ein
Stück von der Wand unseres Kerkers. Frei von den Ketten, flog ein
Theil von uns, in einzelne Steine zerstückelt, heraus, ich mit, aber
vom Schreck wurde der eine hierhin, der andere dorthin geworfen.
Mir war Hören und Sehen vergangen. Als ich wieder zur Besinnung
kam, sah ich Männer vor mir stehen, die hielten Lampen in der Hand
und waren in Leinwand von schwarzer Farbe gekleidet. Aus dem
Kopfe trugen sie einen grauen Filzhut ohne Krempen, und einige von
ihnen hatten spitze Eisenstäbe und Hämmer. Der Schein ihrer Lichter
machte es so hell, daß ich mich nun auch umsehen konnte, wo ich denn
eigentlich war. Ich lag noch immer unter der Erde, aber in einem
großen, hohlen Felsenraume, in dem ein Haus gewiß Platz gehabt hätte.
Meines Gleichen lagen noch viele aus dem Boden des Felsengewölbes.
Nicht lange, so stellten sich die schwarzen Männer längs der Felswand
auf, das spitze Eisen in der einen Hand, den Hammer in der andern.
Das Klopfen ging von neuem los, indem sie nach dem Takte mit dem
Hammer auf das Eisen schlugen und dadurch Löcher in die Felswand
bohrten. Als diese tief genug waren, füllten sie dieselben mit Pulver
an, verschwanden plötzlich und versteckten sich in Felsengängc. Einige
Augenblicke war es todtenstill, doch bald blitzte das Pulver auf, und
rasch folgte der Donner hinterdrein. Eine Menge Gefangene prasselten
wieder aus ihrem Gefängnisse heraus.
Das ging Tag für Tag so fort. Eines Tages lud uns ein Mann
in einen Karren und fuhr uns in einem unterirdischen Felsengange ent-
lang, der sehr schmal und so niedrig war, daß sich der Mann etwas
bücken mußte. Dieser Gang führte nach einem andern Gange, der
höher und breiter war, als der erste. Hier floß Wasser hell und klar,
and auf dem Wasser stand ein Kahn, der uns aufnahm. Der Mann
setzte sich mit seiner Lampe auf uns, und wir fuhren so in dem dunkeln
Gange lange Zeit fort. Du hast neulich hier am Nähtische deiner
Gespielin auch von einer Wasserfahrt erzählt, aber bei meiner Fahrt
wäre es dir gewiß etwas unheimlich geworden; denn da drunten blühet
kein Vergißmeinnicht an dem Wasser, da singt keine Schwalbe, da
schwimmt kein Fischlein munter auf und ab. Dumpf rauschte das
Wasser unter dem Kahne, und stieß er an die Felsenwände, so dröhnte
rs hohl, wie in einem Grabe. Ich weiß nicht mehr, wie lange wir
fuhren. Endlich hielt der Kahn an. Ein großer Eimer kam an einem
Seile wie in einem Brunnen herunter; in diesen wurde ich mit mehre-
ren meiner Gefährten geladen, und der Eimer dann in die Hohe ge-
wunden. Unser Kahn muß recht tief unter der Erde gestanden haben;
denn es währte lang, ehe wir ans Tageslicht kamen. Bei unserer
Ausfahrt geleitete uns anfangs der Schein des Lichtes im Kahn, aber bald
ging es ganz im Dunkeln weiter. Ich wünschte mir im Stillen ein „Glück
auf!", wie ich's oft von den Männern gehört hatte, wenn sie zu Tage
fahren wollten. Allmählig stng es an zu dämmern, und mit jedem Schritte
höher, wurde es Heller und Heller, bis uns das Sonnenlicht ganz beschien.