1863 -
Essen
: Bädeker
- Autor: Bender, Ludwig, Haesters, Albert
- Auflagennummer (WdK): 5
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Evangelische Volksschule
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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Volkes Klage nicht mehr anhört? Ist aber kein Gesetz gültig, und
keiner, der da richtet zwischen mir und ihm; so stehen wir, Geßler,
du und ich, gesetzlos beide, und Nothwehr richtet. Soll eins von
beiden fallen, unschuldig Weib und Kind und Vaterland, oder,
Vogt Geßler, du: so falle du, und Freiheit steige wieder!"
So dachte der Tell und flog mit Pfeil und Bogen gen Küßnacht
und harrte in der hohlen Gasse bei dem Ort. Da kam der Vogt;
da schwirrte die Bogensehne; da durchbohrte der freie Pfeil das Herz
des Gewaltherrn Hermann Geßler von Brunnegg.
Das ganze Volk erschrak freudig, als es den Tod seines Unter-
drückers vernahm. Die That des Tell verlieh höhern Muth. In der
Nacht des Neujahrs wurden die Landespeiniger vertrieben und ihre
Zwingburgen gebrochen. — Also hat durch des stolzen Kaisers
Albrecht von Österreich knechtende Herrschaft das deutsche Reich
die Schweiz verloren.
Nach Albrecht von Österreich kam der Graf Heinrich von
Luxemburg oder Lützelburg als Heinrich Vii. auf den deutschen
Kaiserthron (1308—1313). Durch die Vermählung seines Sohnes mit
Elisabeth, der Enkelin Ottokars, des Königs von Böhmen, gewann
er die böhmische Krone, welche in der Folge zu der deutschen Kaiserkrone
kam. — Nach seinem Tode geschah es, dass die Kurfürsten bei jier neuen
Kaiserwahl sich entzweiten, und die eine Partei Friedrich V0i1 Österreich,
einen Sohn des ermordeten Königs Albrecht, die andere dagegen Ludwig Voq
Baiern zum Kaiser wählten. Daraus entstand ein achtjähriger, blutiger
Krieg, bis sich endlich die beiden Kaiser versöhnten und die Regierung
des Reichs gemeinschaftlich besorgten (1313 — 1347).
22. Deutsche Treue.
Der Kaiser Ludwig der Bayer hatte seinen Gegner Friedrich den
Schönen von Österreich in einer großen Schlacht gefangen genommen
und erst auf das Schloß Dornberg, später in die feste Burg Trausnitz bei
der Stadt Amberg in Baiern gesetzt. Dort war der unglückliche Friedrich
von aller Welt abgeschnitten; er hörte nichts von seinem treuen Weibe,
das sich um ihn blindgeweint hatte, nichts von seinem Bruder, der ihn so
gern gerettet hätte. Er konnte sich nirgends bewegen, als in dem engen,
düstern Schloßhofe, statt daß er sonst jeden Morgen auf seinem Roß
in den Wald gesprengt war, und Hirsche und Rehe erlegt hatte. Aber
auch dem Kaiser Ludwig war es nicht gut gegangen; er hatte viele
Unruhe und Gefahr im Kriege ausgestanden, war längst vom Papste
aller Rechte auf das deutsche Reich für verlustig erklärt, und es waren
noch immer viele Leute, welche den gefangenen Friedrich lieber zum
Kaiser gehabt hätten, als ihn. Da erinnerte sich Ludwig, daß Friedrich
sein Jugendfreund und immer so treu und ehrlich gewesen war. Eines
Abends setzte er sich auf sein Roß und ritt nach dem Schlosse Trausnitz,
wo Friedrich gefangen saß.
„Alter Freund," sprach er, „willst du frei werden?" — „Frei? so
daß ich meine Gemahlin und meinen Bruder wiedersehen könnte?" ant-