1863 -
Essen
: Bädeker
- Autor: Bender, Ludwig, Haesters, Albert
- Auflagennummer (WdK): 5
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Evangelische Volksschule
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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wertete Friedrich, „o dafür thäte ich Alles!" Nun eröffnete ihm Lud-
wig die Bedingungen, unter welchen er ihn frei lassen wolle. „Wenn
du mir versprichst und am Altare schwörst, daß du dich wieder in die
Gefangenschaft stellen willst, wenn du das Versprechen nicht halten
kannst, dann bist du frei!" Friedrich versprach es, und beide empfin-
gen am Altare das heilige Abendmahl zum Zeugniß ihres Bundes.
So ritten sie freundlich zusammen bis an die Grenze.
Als aber Friedrich nach Wien kam, fand er Vieles anders, als
er wünschte. Sein liebes Weib war blind; sein Bruder Leopold war
mit seinem Bündniß gar nicht zufrieden und machte ihm Vorwürfe;
sogar behauptete der Papst, ein solches Versprechen brauche man gar
nicht zu halten. Da war Friedrich nicht im Stande, die Bedingnisse zu
erfüllen, welche Ludwig gemacht hatte, und schon kam die Zeit, wo er
gelobt halte, in die Gefangenschaft zurückzukehren. Er selbst erschrak,
wenn er an das Gefängniß dachte, in dem er drei Jahre geschmachtet
hatte. Als der Tag der Rückkehr kam, da wollten alle die Seinigen
in Thränen über sein trauriges Schicksal vergehen; aber Treue und Eid
galten ihm mehr, als alles Andere. Er riß sich los und erschien vor
Ludwig. Dieser war so gerührt durch die Redlichkeit seines Freundes,
daß er rief: „Komm, Friedrich, wir wollen zusammen die Kaiserkrone
tragen!" Von Stund an lebten sie wie Brüder beisammen, aßen an
einem Tisch, schliefen in einem Bett, und wenn Einer abwesend war,
besorgte ihm der Andere seine Geschäfte und behütete sein Land. Friedrich
starb J330, und Ludwig 1347 auf einer Bärenjagd, unvermuthet.
23. Die Fehmgerichte.
Vom dreizehnten bis in das sechszehnte Jahrhundert bestanden durch
ganz Deutschland furchtbare heimliche Gerichte, die grobe Verbrecher
aller Art vor ihren Richterftuhl zogen und, wenn sie sich nicht genügend
rechtfertigen konnten, mit dem Tode bestraften. Es war gefährlich, sich
vor ihnen zu stellen, und noch gefährlicher, sich auf ihre Vorladung
nicht einzufinden. Ihren ersten und vornehmsten Sitz hatten sie in West-
phalen (m Dortmund), darum hießen sie auch die westphälischen
Freigerichte; den Namen Fehmgerichte hatten sie aber von dem alt-
deutschen Worte verfehmen, das so viel heißt als verbannen.
Jedes solche Gericht bestand aus einem Freigrafen und einer An-
zahl Freischöppen oder B eisitz er, die man auch Wissende nannte,
weil sie um die Geheimnisse der heiligen Fehme wußten. Solcher
Beisitzer mußten wenigstens vierzehn sein; gemeiniglich waren deren aber
viel mehr. Man rechnet, daß in ganz Deutschland über 100,000 ver-
breitet waren; denn in jeder Stadt hielten sich Wissende auf, von denen
die Bürger beobachtet wurden. Ihre Sitzungen nannten sie Freidinge.
Jeder Freigraf und Freischöppe mußte aus rother Erde, das heißt
im Westphälischen, belehrt und beeidigt worden sein. Der Eid, den
man ihnen bei ihrer Aufnahme zur Sicherung ihrer Verschwiegenheit
abnahm, war furchtbar. „Ich schwöre," mußten sie sprechen, „die heilige