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1. Lehr- und Lesebuch oder die Vaterlands- und Weltkunde - S. 322

1863 - Essen : Bädeker
322 an die Rathen an, bewegt den Kopf hin und her und bringt so zwei sehr dünne Fäden aus den Öffnungen heraus, die sie geschickt niit den beiden Vordersüßen zu einem Faden zu verbinden weiß. Zuerst spinnt sie ein weitläufiges, verworrenes und durchsichtiges Gewebe, aus welchem die Floretseide kardätscht wird. Den zweiten Tag zieht sie die Fäden um sich herum und bildet den eigentlichen Kokon (spr. Kokongh, d. h. Seidenhäuschen), in dessen Mitte sie sich befindet. Ein sol- cher Kokon, der ziemlich die Größe und Gestalt eines kleinen Taubeneies hat, besteht aus einem einzigen Doppelfaden, der 900 — 1200 Fuß lang ist. Dies ist nun unsere Seide, die man nicht erst zu spinnen braucht, wie den Flachs oder die Baumwolle, denn das hat ja die Raupe schon gethan. Man darf nur 10 —12 Kokons mit einander abhaspeln und sie zwirnen. Läßt man aber der Puppe, die sich im Innern befindet, Zeit, sich in einen Schmetterling zu ver- wandeln (wozu sie 11 — 20 Tage gebraucht), so durchbricht der Schmetterling seine Hülle, und der durchlöcherte Kokon kann dann nicht mehr abgewunden und benutzt werden. Um diesen Schaden zu verhüten, schiebt man die Kokons in einen mäßig heißen Backofen, wo die Puppen ersticken, oder man wirft sie in siedendes Wasser. Das Vaterland der Seidenraupen ist China und Ostindien. Dort leben sie auch wild auf den Maulbeerbäumen, die ganz mit Kokons behängen sind. In, I. 551 n. Chr. brachten zwei Mönche den Seidenspinner mit nach Europa, indem sie die Eier desselben in ihren hohlen Stöcken aufbewahrten. Gegenwärtig breitet sich selbst in Deutschland der Seidenbau immer mehr aus. Allein bei uns kann er nur in Zimmern betrieben werden und erfordert große Mühe und Sorgfalt. 27. Der Thee. In China wächst ein kleiner Strauch, ähnlich der Myrthe, — der Theestrauch. Bis Ende des sechzehnten Jahrhunderts kannte man ihn in Europa nicht und der erste Schriftsteller, der ihn erwähnt, ein Italiener, erzählt noch: „Die Chinesen haben ein Kraut, aus welchem sie einen zarten Saft drücken, welchen sie statt des Weines trinken; auch bewahrt er ihre Gesundheit und schützt sie gegen alle die Übel, welche der unmäßige Genuß des Weins unter uns hervorbringt." Was würden die klugen Chinesen gelacht haben, wenn sie das gelesen oder wenn sie gar dabei gewesen wären, wie man den ersten Thee, den man nach Europa brachte, als grünes Gemüse mit Butter und Salz zum Fleische kochte, und sie dabei die sauren Gesichter hätten sehen können, die sämmtliche Tischgäste des vornehmen Herrn zogen, der das ausländische kostbare Gericht als Delikatesse vorgesetzt hatte, ohne die Theebcreitung zu verstehen I Seitdem haben die getrockneten Blätter des chinesischen Strauches mit reißender Schnelligkeit über die ganze Erde sich verbreitet. Wie Chinesen und Japane- sen, vom Kaiser bis zum Bauer, vom frühen Morgen bis in die späte Nacht seit undenklichen Zeiten ihren Thee (aber stets ohne Milch und Zucker) tranken und trinken und gekochten Thee selbst auf den Märkten feilbieten, so ist in der ganzen civiltsirten Welt der Thee ein Lieblingsgetränk, wenigstens der höheren Stände, geworden. Engländer und Amerikaner wetteifern mit einander, wer den meisten Thee verbrauche, und England nimmt jetzt jährlich an sechs und dreißig Millionen Pfund Thee auf sich. Für ganz Europa kann der Verbrauch ungefähr auf 60 Millionen Pfund geschätzt werden. In allen Familien dampft traulich auf den Tischen die Theekanne und ersetzt in den zahllosen Mäßigkeitsvereinen die Stelle der geistigen Getränke. Man genießt ihn stark gekocht zu festen Speisen und thut sich etwas zu Gute darauf, daß niemand in der Welt den Thee so gut zu bereiten verstehe, als die blonden Söhne und Töchter Albtons. Mit dem Flieder- und Krausemünze-Thee, diesen medizinischen Hausmitteln unserer deutschen Heimath, macht man freilich weniger Umstände! Es ist mit dem Theestrauche wie mit dem Wetnstocke; man kann ihn wohl in andere Himmelsstriche verpflanzen, selbst in Frankreich gedeiht er im Freien; nirgends aber erlangt er die heimathliche Gewürzhaftigkeit, und so wird die Welt wohl den klugen Chinesen tributpflichtig bleiben. Es gehört aber auch chinesische
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