1854 -
Altona
: Lehmkuhl
- Autor: Grün, P. C.
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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träumend den Mittelpunkt des Evangeliums ergriff, weil er von
Christo ergriffen war. In einer einsamen Waldcapelle unfern dem
Kloster pflegte er häufig zu beten und so geschah es denn, daß dort-
hin ihn sein Traum versetzte; Christum glaubte er zu sehen, dem er
auf dessen Geheiß seine Sünde, die er von Jugend aus gethan, be-
kannte und von dem er dann ein Wort für stch bekam, das er nach-
her auch den geängsteten Seelen in der Heidenwelt Schleswigs und
Holsteins gebracht hat: „Sei ohne Furcht, ich bins, der deine Ver-
gehung tilgt." Seine Verdienste um die Schule, in der er die ein-
zelnen Schüler mit seltener Liebe ihrem geistlichen wie leiblichen
Wohlergehen nach auf dem Herzen trug, blieben nicht unbemerkt,
denn als Kaiser Ludwig das Kloster Neu-Corbai an der Weser in
Westphalen gründete, wurde Anschar dahin gesandt und ihm außer
dem Rectorat an der Schule zugleich das Amt eines Volkspredigers
anvertraut s823).
Schon zum zweiten Mal war König Harald, der über Schles-
wig herrschte, von seinen Feinden, den Söhnen des mächtigen Kö-
nigs Göttrik vertrieben worden und als Bittenden hatte Kaiser Lud-
wig ihn das erste Mal bei stch ausgenommen und in sein Reich
wieder eingesetzt; er thats noch ein Mal, nachdem Harald 826 zu
Ingelheim nebst seiner Geinahlin und allen Großen seines Hofs stch
hatte taufen lassen. Da forschte denn Ludwig nach einem Priester,
der Geschick, Liebe und Muth hätte, den König Harald nach dem
wilden Norden zu begleiten. Der Abt Walo trat hervor und nannte
Anschar, der sich gleich zu demüthigen: Gehorsam gegen das Wort
seines Abtes bereit erklärte, aber auch auf die Anfrage des Kaisers,
ob er sich nicht freiwillig zu dem Werk entschließen könne, diesem
seinen freien Entschluß kund gab, den er dann durch Gebet und Le-
sen in der Einsamkeit eines nahe gelegenen Weinbergs bis zur Ab-
reise des nordischen Königs befestigte. Wenn viele seiner Freunde
aus unlauter:: Gründen ihn abmahnten, so ward die herzlich theil-
nehmende Liebe seines Freundes Autbert, der ihn in seiner Einsamkeit
aussuchte, der Anlaß, daß Anschar an ihm einen treuen Begleiter
bekam. Sie wurden vom Kaiser aufs Beste ausgerüstet entlassen,
fanden aber wenig Liebe bei ihren neuen Reisegefährten, deren Ueber-
tritt zum Christenthum ziemlich äußerlich gewesen zu sein scheint.
In Cölln erhielt Anschar von dem frommen Bischof daselbst, der
stch sehr über seine Missionsabstchten freute, ein schönes Schiff zum
Geschenk; nun blickte der König begierig nach dem Fahrzeug hin,
und als er seinen Wunsch aussprach, mit aus demselben die Fahrt
zu machen, gab die freundliche Gewährung der Bitte die Gelegen-
heit zu vertrauter Bekanntschaft. Sie landeten wahrscheinlich in
Hollingstedt an der Treene und schlugen ihren Wohnsitz zu Haddeby
an der Schlei aus. Hier predigten die beiden Priester und errichte-
ten bald auch eine Pflanzschule für künftige Missionäre aus losge-