1854 -
Altona
: Lehmkuhl
- Autor: Grün, P. C.
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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ten, wurden nur durch die großen Eigenschaften Waldemar des
Siegers und durch die Furcht vor seinem gewaltigen Arm zusam-
gehalten. Als er daher fehlte, trat eine grenzenlose Verwirrung
ein: im Lande selbst herrschten Mißtrauen und Verzagtheit, die
unterjochten Völker empörten sich, und alle ausländischen Feinde
kamen in Bewegung, während die sogenannten Freunde, die gern
das mächtige Dänemark geschwächt sahen, unthätig blieben. Kaiser
Friedrich der Zweite verbarg seine Freude über das Unglück nicht,
welches den dänischen König betroffen hatte; der jüngere Graf
Adolf kehrte, von allen norddeutschen Fürsten unterstützt, nach
Holstein zurück und bemächtigte sich seines väterlichen Erbes.
Selbst Bffchof Waldemar, jetzt ein achtzigjähriger Greis, verließ
sobald er die Nachricht von der Gefangenschaft des Königs er-
hielt, die Einsamkeit des Klosters, und brach über die Grenzen
Dänemarks herein, um seinen bitteren Haß gegen Waldemar den
Sieger zu befriedigen. Endlich brachte der kühne Albert von
Orlamünde, der zum Reichsverweser ernannt worden war, ein
Heer zusammen, versuchte aber zuvor, was durch Unterhandlungen
ausgerichtet werden könne. Die Feinde verlangten, daß Waldemar
40,000 Mark Silber für seine Freilassung entrichten, seine slavi-
schen und wendischen Besitzungen und was er im Norden der
Elbe erobert hatte, abtreten, daß Holstein dem Albert von
Orlamünde von dem deutschen Reiche zu Lehn über-
lassen werden, und endlich Waldemar Dänemark vom Kaiser
zu Lehn nehmen solle. Obschon diese Bedingungen Vor-
theilhaft für Albert waren, so schlug er sie dennoch, als für König
und Vaterland schimpflich, ab. Das Schwert sollte jetzt den
Ausschlag geben; aber Albert verlor die Schlacht bei Mölln
Januar 1215) nach einem Kampfe, welcher vom frühen Morgen
bis zur Dunkelheit währte, und dieser edle Streiter begegnete
seinem Könige nicht als Befreier, sondern als Mitgefangener.
Hamburg unterwarf sich darauf dem Grafen Adolf, und Lübeck
begab sich unter Deutschland. Waldemar mußte sich jetzt den
harten, von den Feinden gestellten Bedingungen unterwerfen; je-
doch wurde die Bedingung der Lehnsabhängigkeit Dänemarks von
Deutschland ausgelassen; Albert aber mußte Holstein an Graf
Adolf abtreten. Nach einer beinahe dreijährigen Gefangenschaft
kam Waldemar am Weihnachtsabend 1225 nach Dänemark zu-