1867 -
Altona
: Hammerich
- Autor: Harder, Friedrich
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
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im Sommer kurz und braungrau, im Winter lang und weiß; am Halse
befindet sich eine lange Mahne. Das weibliche Rennthier sowohl wie das
männliche trägt ein in schlanker Hauptstange nach hinten getragenes Geweihe
mit handförmiger Schaufel am Ende. Das Geweihe wird ähnlich wie bei
Hirsch und Reh gewechselt. Eigenthümlich ist dem Rennthier die behaarte
Nase.
Die Rennthiere sind sanfte, friedliche und schnelle Thiere, die sich mit
allerlei Pflanzen des Nordens, ja selbst mit Pilzen, Fliegenschwämmen und
im Winter mit unter dem Schnee hervorgescharrten Flechten begnügen, weß--
halb auch das Weibchen mit einem Geweih versehen ist. Berühmt sind ihre
Wanderungen nach den Ebenen am Eismeer, von denen sie im Herbste, wenn
die sie im Sommer belästigenden Jnsecten verschwinden, heimkehren. Als das
wesentlichste Hausthier der nördlichen alten Welt ist es für die armen Lappen
und anderere Völkerschaften von höchster Bedeutung. Es liefert Milch und
Fleisch; ist als Zugthier unersetzlich, giebt Pclzklcidung, Leder, Zwirn (von
den Sehnen), Stricke (Gedärme), Löffel (aus den Knochen) u. s. w. In
Amerika ist das Rennthier nicht gezähmt, wird aber wegen seines Fleisches
und Felles viel gejagt.
Vergleichung: Das Reh und die Ziege.
28. Das einhöckerige Kamee! oder das Dromedar.
Das Dromedar d. i. Schnellläufer, von den Arabern „das Schiff der
Wüste" genannt, war schon zur Zeit der biblischen Patriarchen ein wichtiges
Hausthier. Als solches findet es sich auch jetzt noch im südwestlichen Asien,
in Nordafrika, in Griechenland und der Türkei und in circa 170 Exemplaren
in Pisa in Italien, wo von der Regierung sorgfältig ein Kameelgestüt unter-
halten wird. Neuerdigs ist auch ein sehr befriedigender Versuch mit der
Kameelzucht in den vereinigten Staaten Amerikas gemacht worden.
Wiewohl es im Allgemeinen die Eigenschaften unserer Wiederkäuer oder
Zweihufer besitzt, so weicht es doch in manchen Stücken beträchtlich von den-
selben ab. Es ist ein häßliches Thier, von so eigenthümlicher Gestalt, daß
es sich schwerlich einem unserer bekannten Thiere annähernd vergleichen ließe.
Plumpe Füße, hohe unzierliche Beine, unförmige Rumpsmasse mit krummem,
breitem Rücken, auf welchem ein aus sehnig-fettiger Masse bestehender Fett-
höcker, wenn er nicht nach langem Hungern fast verschwunden ist, beständig
hin- und herwackelt, langer, im Laufe vorgestreckter und auf- und abschwin-
gender Hals, unentschiedene Kopfform mit schafsähnlichcr Schnauze, kurzer
Schwanz, lange, grobe Haare von schmutzig graubrauner Farbe — das sind
Hauptzügc, die im Bilde des Dromedars nicht fehlen dürfen. Dies Bild ist
übrigens nicht zu klein zu entwerfen, denn das Thier ist reichlich 10 Fuß
lang und halb so hoch. Weniger auffallend, aber sehr charakteristische Kenn-
zeichen des Dromedars sind die Vorderzähne im Oberkiefer, die Eckzähne, die
gespaltene Oberlippe, die fehlenden Afterzehen, die nur an der Spitze ge-
trennten, sonst durch eine breite, schwielige Sohle verwachsenen Hauptzehen,
welche nur kleine Hufen tragen, die wegen der großen Schwielen nur kaum
den Boden berühren, endlich die polsterartigen Schwielen am sogenannten
Vorderknie. Sehr merkwürdig ist auch der vierfache Schritt des Dromedars.
Schritt, Trott, Paß und Galopp.