1865 -
Göttingen
: Deuerlich
- Autor: Jastram, Heinrich
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
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Vaterländische Geschichte.
126. Das alte Deutschland und die alten Deutschen.
Das alte Deutschland war den Wildnissen des jetzigen Kord-
amerika zu vergleichen. Das südliche gebirgige Hochland war
grösstenteils mit Avald bedeckt, das nördliche ebene Tieiland
eine Einöde, von grossen Morästen und Wäldern durchschnitten.
Hauher war das Klima, als jetzt, denn Waldungen halten ja die
Sonnenstrahlen ab, lassen den Hoden nicht austrocknen und küh-
len daher die Luft. Schon längst hat man die Erfahrung ge-
macht, dass das Klima eines Landes durch das Aushauen der
Wälder und ausgebreiteten Anbau selbst milder wird. So ist es
auch mit Deutschland geschehen. Die alten Deutschen dachten
wenig an Ackerbau; die meisten unsrer Getreide-, Gemüse- und
Obstarten waren damals noch gar nicht dort einheimisch, und
eine Weintraube kannte kein Deutscher; aber Herden, vorzüglich
von Hindern, waren das Hauptbesitzthum der Bewohner. Dazu
kam noch der grosse Heichthum an wilden Thieren und Wild-
pret, den die endlosen Waldungen enthielten. Damals hauseten
in Deutschlands Forsten noch der Bär, das Elenthier und der
Auerochse; das Hennthior hat schwerlich dort gelebt. Der Dout-
sclvu war den Indianern Kordamerikas ähnlich; die gleiche Be-
schaffenheit des Vaterlandes zwang sie zu ähnlicher Lebensart.
Gross und kräftig war ihr Körper, abgehärtet gegen die Bauhheit
der Luft und die Beschwerden der Jagd und des Krieges. Ihr
Kleid war das Fell erlegter Thiere, deren Gehörn ihnen oft selbst
zum Kopfschmucke diente. Daher erschienen sie den an schöne
Gewänder und schimmernden Waffenschmuck gewöhnten Hörnern
fürchterlich. Keulen, Lanzen, Stroitäxto, Schwerter waren ihre
Waffen; keine Panzer, wohl aber gewaltige Schilde schützten sie
gegen den Feind. Hütten von Baumstämmen gaben ihnen hin-
reichenden Schutz gegen die Aritterung, deren “Rauheit sie so
wenig achteten, dass sie ihre Versammlungen, Schmausereien und
Feste stets im Freien hielten. Städte kannte man nicht; jeder
bauete sich an, wo ein bequemer Platz ihn einlud; jedoch bilde-
ten ihre Wohnungen auch Dorfschaften, die aber weit von ein-
ander entfernt lagen, denn nur schwach war die Bevölkerung des
Landes. Jagd und Krieg war das Hauptgeschäft des freien Man-
nes; für den nothdürftigen Ackerbau liess er Weiber und leib-
eigene Knechte (Sclaven) sorgen. Bewaffnet war daher der
Deutsche stets; bei den Opfern, in der Volksversammlung, selbst
bei Schmäusen und Trinkgelagen fehlte Schwert und Lanze nicht;
daher oft blutiger Streit des rohen Volkes unter sich selbst.
Kampf war des Deutschen Lust und unter den vielen Stämmen,
welche Gebirge und Ebenen bewohnten, deshalb beständiger Krieg,
der freilich nach kurzer Dauer gewöhnlich schnell beigelegt, aber