1836 -
Leipzig
: Wigand
- Autor: ,
- Hrsg.: Schwabe, Karl Ludwig, Jürn, Alexander Bernhard
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Volksschule
- Geschlecht (WdK): koedukativ
208
'M
10, Die Hermannschlacht.
Um die Zeit von Christi Geburt bewohnten die Deutschen
denjenigen Theil des jetzigen Deutschlands, welcher sich von
der Donau bis zur Nord- und Ostsee und von dem Rheine
bis zur Weichsel erstreckt. Das Land war damals noch wenig
angebaut, meist mit Wald, Haide und Sumpf bedeckt. Die
Bewohner, von unbezwingbarer Freiheitsliebe beseelt, wohnten
nicht in Städten, sondern jeder lebte auf seinem Hofe einsam
und unabhängig. Die Nachbarn hielten zusammen und wähl-
ten aus ihrer Mitte einen allgemein geachteten Mann, welcher
im Frieden den Schiedsrichter ihrer Streitigkeiten und im Kriege
den Anführer machte. Gold und Silber war ihnen etwas
sehr Entbehrliches; desto mehr suchten sie Eisen. Nahrung und
Kleidung gewahrten der Wald, die Heerde ünd das von Skla-
- ven bearbeitete Feld. Wahrend der Mann auf der Jagd oder
im Kriege war, arbeiteten Frau und Knechte daheim. Wür-
felspiel, Trinkgelage, Wettkampfe und Waffentanze machten ihre
Vergnügungen aus. Oft zog die kampflustige Jugend in ent-
fernte Gegenden, theils um Freunden zu helfen oder Beleidi-
gungen zu rachen, theils um Beute zu machen. Starb das
Haupt einer Familie, so baute man einen Scheiterhaufen, legte
die mit Waffen geschmückte.leiche darauf und verbrannte sie,
wahrend Freunde und Sklaven zu seiner Ehre Kampfspiele hiel-
ten. So einfach wie das ganze Leben, war auch der Glaube
unserer Vorfahren. Sie verehrten in der Sonne, dem Monde
und den Sternen Gottes Allmacht; in Thor den Donnerer
und in Odin einen alten Stammhelden; hatten aber einen
zu erhabenen Begriff vom höchsten Wesen, um sich ein Bild
von ihm zu machen; doch opferten sie ihm in geheiligten Hai-
nen und auf Höhen Thiere und Früchte, und zuweilen auch
gefangene Feinde. Treue gegen Gatten und Freunde, Ehrfurcht
gegen das Alter und Redlichkeit im Verkehr zeichneten sie vor
den meisten Völkern der damaligen Zeit aus, und ihre Mensch-
lichkeit offenbarte sich in ihrer unbegrenzten Gastfreundschaft.
So wenig nun auch ein solches Volk und ein solches Land
die Habsucht fremder Eroberer reizen konnte: so blieben doch
auch die Deutschen von den römischen Waffen nicht unangefoch-
ten, wahrscheinlich aber mehr, weil man sich, so lange sie noch
unbesiegt waren, nicht sicher glaubte, als daß man sich von der
Eroberung ihres Landes große Vortheile versprochen hatte. Die
Römer hatten zu Anfange der christlichen Zeitrechnung ihre