1843 -
Darmstadt
: Jonghaus
- Autor: Fischer, Johann Georg
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Volksschule
- Inhalt Raum/Thema: ABC_Lesen, Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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und seine gleichfalls hochbetagte Frau um eine Unter-
stützung bat, da sie ganz arm und wegen ihres hohen
Alters auch zu kraftlos seien, durch ihrer Hände Arbeit
etwas zu verdienen. Sie würden, war weiter in der
Bittschrift gesagt, schon bisher im Elend haben verküm-
mern müssen, wenn nicht ihr seit 8 Jahren im ersten In-
fanterie - Regiment als Einsteher dienender Sohn ihrer
Noth durch eigene Entbehrung einigermaßen zu steuern
gesucht hätte. Der gute Sohn habe von seinem Einstands-
kapital ihnen zwei Grundstücke gekauft, aus welchen sie
für einige Zeit des Jahres Lebensmittel gewonnen hätten.
Ja er habe noch mehr gethan und ihnen von seiner in
7 Kreuzern bestehenden Löhnung täglich 1 % Kreuzer ver-
abreicht. Es sei ihnen aber zu drückend und thue ihrem
Herzen zu wehe, von ihrem Sohne länger annehmen zu
sollen, was ihm doch selbst unentbehrlich sei — Ich war,
setzte der Fürst hinzu, von diesem schönen Zuge kindlicher
Liebe innigst gerührt und habe einen wahren Drang
empfunden/den guten, höchst achtungswerthen Menschen per-
sönlich kennen zu lernen." — Dieser wurde nun vorgerufen,,
bei seinem Eintreten in das Zimmer von seinem Fürsten sehr
freundlich empfangen und also angeredet: "Ich habe ge-
hört, wie vortrefflich du gegen deine arme Aeltcrn ge-
handelt, wie du von deinem Wenigen ihre kummervollen
Tage erleichtert hast; das macht dir Ehre und wird dir
Segen bringen. Auch freut es mich, daß du dir das
Zeugniß eines braven Soldaten erworben hast. Da du
nun bei deinem kleinen Einkommen bisher deine Aeltern
mit eigener Entbehrung unterstützt hast, so glaube ich mich
verpflichtet, für die ihnen gebrachten Opfer dich einiger-
maßen zu entschädigen." Hierbei überreichte ihm der
gnädige Fürst mit sichtbarer Rührung ein Päckchen mit
Geld und versprach, auch fernerhin an ihn zu denken
und für ihn zu sorgen. Der hochbeglückte Mann war
tief bewegt und konnte kein Wort hervorbringen; nur
seine Thränen sprachen. Er wurde huldvoll entlassen. Der
einige Minuten später sich entfernende Offizier eilte ihm
nach, und traf ihn noch in Thränen, welche über die
braunen Wangen herabrollten. Das Päckchen war noch
uneröffnet, fest von f.iner Hand umschlossen, und diese
nun emporhebend brachte er mit zitternder Stimme kaum
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