1843 -
Darmstadt
: Jonghaus
- Autor: Fischer, Johann Georg
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Volksschule
- Inhalt Raum/Thema: ABC_Lesen, Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
213
birge emporbäumte und gegen die Stadt heranwälzte.
„Das Meer, das Meer! Wir sind des Todes!" riefen
viele Tausende und flohen den Straßen zu, in welchen
ihnen durch niederfallendes Gemäuer ein anderer Tod
drohte. Wild brauste das Wasser in die Stadt; die an
dem Ufer ankernden Schiffe wurden losgerissen, und meh-
rere derselben von dem Strudel verschlungen. Viele Men
schen fanden hier ihren Tod. Diese fürchterliche Erschei-
nung erneuerte sich bald darauf mit dem dritten Erdstoß
auf dieselbe Weise, und wiederholte sich bei jedem folgenden.
Zu diesen Schrecken der Natur gesellte sich das Feuer,
welches aus dem Schutte der eingestürzten Häuser an allen
Enden ausbrach, und das verzehrte, was das Erdbeben
und das Wasser verschont hatte. Was nicht erschlagen
war, oder mit dem Tode rang, floh jetzt aus der Stadt.
Auf den Feldern umher lagerten die unglücklichen Bewoh-
ner Lissabons zu Tausenden ohne Obdach, ohne Nahrung
und zum Theil ohne Kleidung einein fast ununterbrochenen
Regen ausgesetzt. Denn die benachbarten Städte und Dör-
fer, in welchen sie Zuflucht hätten finden können, hatten
selbst durch die Verheerungen des Erdbebens gelitten. Un-
säglich war das Elend, das über die Stadt Lissabon ge-
kommen war; 16000 Gebäude lagen darnieder, unter ihnen
das königliche Schloß, alle Haupt- und Pfarrkirchen, die
Klöster, die Krankenhäuser und fast alle öffentlichen Ge-
bäude; nur wenige waren verschont geblieben. Lissabon
war ein Schutthaufen, unter welchem das Glück von
200,000 Bewohnern und die Leichname von 40,000 Er-
schlagenen begraben lagen. Der Schaden der Einwohner
betrug über tausend Millionen Gulden.
So groß jedoch das Unglück war, welche/über Lissa-
von jetzt lag, und so traurig der Jammer, unter welchen!
sie seufzten, so boten doch diese Tage des Schreckens und
des Elends manches rührende und erhebende Bild edler
Menschlichkeit, heldenmüthiger Aufopferung und ächt christ-
lichen Sinnes dar. In den ersten Augenblicken, wo fast
Jedermann nur auf Erhaltung des eigenen Lebens bedacht
war, sah man Einzelne mit der Errettung ihrer unglück-
lichen Mitbürger beschäftigt; da wo die Gefahr sich am
größten zeigte, bemerkte man Andere, die sich mit kühnem
Muth in die Gefahr wagten, um Menschen, die ihnen