1843 -
Darmstadt
: Jonghaus
- Autor: Fischer, Johann Georg
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Volksschule
- Inhalt Raum/Thema: ABC_Lesen, Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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zeichen erwarb. Bei der Eroberung von Korioli, einer festen Stadt
der mächtigen Volksker, that er sich so sehr hervor, daß ihm der Ehren-
name Koriolan, den er seitdem beständig führte, beigelegt ward. Was
ihn aber noch mehr, als seine kriegerischen Thaten auszeichnete, war
seine kindliche Liebe und Verehrung gegen seine Mutter Betuna. Von
früher Kindheit an war es sein Bestreben gewesen, ihren Beifall zu
gewinnen, und jede Auszeichnung, die ihm späterhin zu Theil wurde,
war vorzüglich auch deßhalb seinem edlen Herzen so werth, weil erste
auf dem Altare der kindlichen Liebe niederlegen und dadurch den Lebens-
abend der theuren Mutter verschönern konnte. Wie viel sie aber
über ihn vermochte', das sollte sich bald auf recht auffallende Weise
zeigen.
Wiewohl Äorivlans Verdienste allgemein anerkannt waren, so be-
saß er doch nicht die Liebe des Volkes. Sein Stolz, seine gering-
schätzige Behandlung der Niedrigen im Volke, sein starres Festhalien
an ererbten Vorzügen entfremdeten ihm die Herzen. Als er daher
zum Cónsul, worauf Niemand gerechter» Anspruch zu haben glaubte,
als er, erwählt werden sollte, widersetzten sich die Bolkstribuncn und
hintertrieben die Wahl. Dadurch erbittert, sprach er in der Senats-
versammlung bei Gelegenheit einer Getreidevcrtheilung unter das
Volk ganz unverhohlen und in derbsten Ausdrücken seine Abneigung
gegen das wachsende Ansehen der Bolkstribuncn aus. Von diesen
ward er deßhalb zur Verantwortung gezogen und durch einen Volks-
beschlnß auf ewige Zeit aus dein Vaterlande verbannt. Racheglühend
verließ er Rom und wandte sich zu den Volskern, den mächtigsten
und erbittertsten Feinden der Römer. Hier wurde er als ein so er-
fahrner Feldherr, dessen Tapferkeit sie selbst bei so vielen Gelegenhei-
ten empfunden hatten, mit offenen Armen aufgenommen. Seiner
Uebcrredungökunst gelang es leicht, ihren gesunkenen Muth anzufeuern,
und sie zur Unternehmung eines neuen Krieges gegen die Römer, der
unter den damaligen Umständen den glücklichsten Erfolg versprach, zu
bewegen. Ueber eine Heeresabtheilung, die größtentheils aus Frei-
willigen bestand, und die sich bet jedem Schritte vorwärts vergrößerte,
ward ihm der Oberbefehl anvertraut. Unaufhaltsam drang nun Ko-
riolan vor, die wichtigsten Städte und Plätze waren bald in seiner
Gewalt, und nicht lange, so stand er im Angesichte Roms. Je mehr
er sich Rom näherte, desto mehr nahm in der Stadt Schrecken und
Berwirruug zu; unfähig, einen Entschluß zu ihrer Vertheidigung zu
fassen, brachte das Volk und dessen Häupter die Zeit mit vergeblichen
Vorschlägen und unnützen Vorwürfen zu, indeß das Geheul der Weiber
und Kinder in den Straßen der Stadt immer ängstlicher wurde, und
die Greise mit den Priestern in den Tempeln der Götter um Hülfe
flehten. Zwei Gesandtschaften, welche Koriolan um Beilegung des
Kriegs und um friedliche Rückkehr ins Vaterland bitten sollten, wurden
fruchtlos ins Lager gesendet; die eine bestand aus den angesehensten
Männern des Staats, fast lauter Verwandte und Freunde des Be-
leidigten, die andere aus allen Priestern der Stadt in feierlicher Amts-
kleidung unter Vortragung der Heiligthümer. Koriolan blieb, wiewohl
er sie mit Anstand und Achtung empfing, unerbittlich, und machte mit