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1. Theil 2 - S. 18

1864 - Mainz : Kirchheim
18 15. Die Posaune d es Gerichts. Grade dort, wo die Gemarkungen zweier Gemeinden sich scheiden, mitten im Walde wurde in der Frühlingsnacht zur Zeit des Vollmonds eine schreck- liche That vollbracht. Ein Mann durchsuchte die Taschen und den Reisesack einer Leiche und steckte Alles zu sich, was er fand. Dann nahm er den Todten auf die Schulter, um ihn an den Strom, der in der Nähe vorbeifloß, binabzu- tragen und dort zu versenken. Plötzlich blieb er stehen, keuchend unter der schrecklichen Last. Der Mond warf sein sanftes Lickk durch die Stämme, und es war ihm, als ob auf den Strahlen des Mondes die Töne eines herzzerrei- ßenden Liedes getragen würden. Ganz nahe blies ein Posthorn die Weise des Liedes: „Denkst du daran!" Dem Tragenden war's, wie wenn die Leiche auf seinen: Rücken lebendig würde und ihn erwürgte. Schnell warf er die Last ab und sprang davon, immer weiter und weiter. Endlich, am Strome, blieb er stehen und lauschte. Alles war still, nur die Wellen flössen schnell dahin, als eilten sie fort von dem Mörder. Diesen beunruhigte es jetzt, daß er die Spuren seiner That nicht vertilgt habe, und er ärgerte sich, daß bloße Furcht ihn fort- trieb. Er eilte nun zurück, lief hin und her, bergauf und bergab; der Schweiß rann ihm von der Stirne; denn es war ibm, als ob er Blei in den Gliedern hätte. Mancher Nachtvogel flog flatternd auf, wenn er so durchs Dickicht drang; aber nirgends fand er das Gesuchte. Er hielt an, um sich zurecht zu finden, um sich die Gegend genauer zu vergegenwärtigen; aber kaum war er drei Schritte gegangen, so war er wieder in der Irre. Alles flimmerte zuletzt vor seinen Augen, und cs war ihm, wie wenn die Bäume auf - und nieder- wandelten und ihm den Weg verstellen wollten. Der Morgen brach endlich an; die Vögel schwangen sich ans und sangen ihre Hellen Lieder; vom Thale und aus den Bergen hörte man Peitschen knallen. Der Mörder machte sich eiligst davon. Die Leiche wurde gefunden und nach dem Dorfe gebracht, in dessen Ge- ntarkung sie lag. An der rechten Schläfe trug der entseelte Körper Spuren eines Schlages, wie von einen: scharfen Stein. Kein Wanderbuch, kein Kenn- zeichen war zu finden, aus dem man die Herkunft des Entseelten entnehmen konnte. Auf dem Kirchhofe, der neben der Kirche hoch öden auf dem Hügel liegt, an dessen Fuß die Landstraße, in Felsen gehauen, sich vorüber zieht, sollte nun des andern Tages der todte Frenide begraben werden. Eine un- zählige Menge Menschen folgte dem Zuge. Sie waren aus allen benachbarten Dörfern gekommen; Jeder wollte seine Unschuld/ seine Trauer und seine Theil- nahme bekunden. Still, ohne laute Klage, nur mit tiefem Weh im Herzen, bewegte sich der Zug den Berg hinan. Der Geistliche hielt eine ergreifende Rede. Zuerst redete er den Entseelten an und sprach: „Aus dem Wege bist du gefallen. Wer weiß, wohin dein Herz sich sehnte, welches Herz dir entgegen schlug. Möge der, der Alles kennt und Alles heilt, Rühe und Frieden in die Seelen der Deinigen senden. Unbekannt
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