1864 -
Mainz
: Kirchheim
- Autor: Kieffer, Franz Xaver
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
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ein gar zu guter Hund. Wenn er es länger treibt, so höre ich endlich auf, den
Pudeln gran zu sein.
v. Tellheim (bei(Beite). So wie ich ihm! Nein, es gibt keine völligen
Unmenschen!--------Just, wir bleiben beisammen.
Just. Ganz gewiß! — Sie wollten sich ohne Bedienten behelfen?
Sie vergessen ihrer Blessuren, und daß sie nur eines Armes mächtig
sind. Sie können sich ja nicht allein ankleiden. Ich bin ihnen unentbehrlich,
und bin-------ohne mich selbst zu rühmen, Herr Major — und bin ein Be-
dienter, der — wenn das Schlimmste zum Schlimmen kommt — für seinen
Herrn betteln und stehlen kann. L e s s i n g.
4t. Das Handelshaus Gruit.
Wenn die Noth am größten,
ist Gott am nächsten.
Das Handelshaus Gruit von Steen war im Anfange des siebzehnten
Jahrhunderts eines der angesehensten und reichsten in Hamburg. Aber der ver-
heerende dreißigjährige Krieg machte seine traurigen Folgen zuletzt auch ihm
fühlbar, itnd zwar um so mehr, je ausgebreiteter die Geschäfte des Hauses früher
gewesen waren. Städte und Dörfer waren zu Hunderten verheert und ver-
lassen, und bei der Unsicherheit der Straßen war es kein Wunder, daß der
Handel stockte und vorzüglich der Absatz in das Innere von Deutschland gering
war. Ein Kaufmann nach dem andern wurde unfähig zu zahlen und zog auch
jenes Handelshaus in seine Verluste mit hinein. Dagegen wagte das große
Seeschiff, sein Eigenthum, welches an der Mündung der Elbe lag, des Krieges
wegen nicht auszulaufeu, und die gangbarsten Waaren mußten von den Hol-
ländern zu außerordentlich hohen Preisen aus der zweiten Hand erkauft
werden.
Hermann Gruit, der Besitzer der Handlung, saß mit dem alten Jansen,
einem erfahrenen Diener des Hauses, um's Jahr 1638 in der Schreibstube
und verglich mit ihm die großen Bücher. „So thut es nicht länger gut!" sagte
dieser endlich; „wir müssen es anders anfangen. Ueberlaßt mir auf ein Jahr
das Schiff und so viel Geld und Nürnberger Waaren, als möglich, und laßt
mich dann selbst nach der neuen Welt (Amerika) segeln; ihr wißt, ich bin in
jüngeren Jahren schon zweimal dort gewesen und verstehe das Geschäft; mit
Gott wird es mir gelingen."
Die beiden Männer berathschlagten mit einander über diesen Einfall,
und nachdem sie die mögliche Gefahr und den möglichen Vortheil auf das Beste
erwogen hatten, kamen sie dahin überein, daß Jansen abreisen sollte. Vier
Wochen später schritt Herr von Steen in seinem Rathsherrngewande, den alten
Buchhalter neben sich, dem Hafen zu, wo eine große Menschenmenge der Ab-
fahrt des stattlichen Schiffes harrte. Einige Handelsfreunde traten grüßend
auf sie zu und äußerten bedenklich, sie wünschten, Herr Hermann möge bei die-