1864 -
Mainz
: Kirchheim
- Autor: Kieffer, Franz Xaver
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
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liebevoll, freundlich und friedlich, immer geschäftig und eifrig im Gebete, war
sie das Vorbild eines guten Kindes. Mit dem Alter nahm sie zu an Liebens-
würdigkeit. Sie war im höchsten Grade bescheiden, eingezogen und sittsam,
also, daß sie nie auch nur ein unanständiges Wort duldete. Das Spargeld,
welches Elisabeth in die Hände bekam, schenkte sie den Armen. Nach der da-
maligen Sitte trug sie bei gewissen Gelegenheiten eine Krone; war sie aber in
einer Kirche, so nahm sie dieselbe so lang ab, als der Gottesdienst, dem sie
immer mit der größten Andacht beiwohnte, dauerte. Oft ging sie mit ihren
Freundinnen auf den Gottesacker, zeigte dann wohl nach den Gräbern hin
und sagte: „Die hier ruhen, lebten auch, wie wir; nun aber sind sie todt. So
wird es auch uns widerfahren; deßhalb sollen wir Gott lieben und demüthig
vor ihm wandeln. Was will denn Staub und Asche sich erheben?"
Im Jahre 1221 wurde sie die Gemahlin des Landgrafen Ludwig von
Hessen und Thüringen, der, kaum 16 Jahre alt, nach dem Tode seines Vaters
(1215) zur Regierung gelangt war. Seine Trauung mit Elisabeth ward auf
der Wartburg feierlich vollzogen. Beide waren ein Muster frommer Eheleute.
Elisabeth lag noch eifriger, als früher, dem Gebete ob. Jede Nacht stand sie
auf, um eine Zeit lang zu beten. Dabei war sie die sorgsamste Hausfrau, alle-
zeit gehorsam und liebevoll gegen ihren Gemahl und freundlich gegen die
Dienstboten. — Den Unterthanen war Elisabeth im wahren Sinne des Wortes
eine Mutter und wurde daher von denselben zärtlich geliebt. 'Ihre Wohlthätig-
keit gegen Hülfsbedürftige, Arme und Kranke kannte beinahe keine Grenzen.
Im Jahre 1226 zog Ludwig im Heere des Kaisers Friedrich nach Italien.
Während seiner Abwesenheit wurde Deutschland und namentlich Thüringen
durch Hungersnoth, ansteckende Krankheiten und Ueberschwemmungen hart
heimgesucht. Da zeigte sich das Mitleiden der Landgräfin im herrlichsten
Glanze. Sie ließ vor Eisenach, am Fuße des Berges, auf welchem die Wart-
burg liegt, ein Hospital für Kranke bauen, die sie oft mit eigener Hand wartete
und pflegte. Eben so stiftete sie ein anderes Hospital für arme Personen, die
ihres Alters wegen einer Zufluchtsstätte bedurften. Ueberdies wurden in jener
Theuerung täglich bei neunhundert Arme von ihrer Tafel, und zwar in ihrer
Gegenwart, gespeiset. Oft gab sie Dürftigen von den Kleidern hin, die sie
selber trug. Als der Landgraf von seiner Reise zurückkehrte, beschwerten sich
einige Beamten über die Freigebigkeit seiner Gemahlin und bezeichneten ihre
Wohlthaten als Verschwendung. Ludwig aber antwortete ihnen: „Lasset meine
gute Elisabeth armen Menschen Gutes thun; was sie um Gottes willen den
Armen gibt, dagegen sage Niemand Etwas. Ihre Liebeswerke ziehen den Segen
Gottes auf mein Haus und Land."
Die Ehe der heiligen Elisabeth wurde von Gott mit drei Kindern geseg-
net, die sie mit der zärtlichsten Sorgfalt und Liebe erzog. Sie zu pflegen, zu
unterrichten, die christlichen Tugenden in ihre jungen Herzen zu pflanzen, war
ihr unablässiges Bemühen, weßhalb sie an ihren Kindern auch nur Freude er-
fahren hat.